1903 -
Berlin
: Schnetter
- Autor: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Regionen (OPAC): Berlin
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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retteten sich in das Gebäude der englischen Gesandtschaft. Nun schritten
Deutschland, Rußland, Österreich, Italien, Frankreich, England, die Vereinigten
Staaten und Japan gegen China ein. Die Flotte beschoß die Taku-Forts, und
es wurden Truppen gelandet, die die Befestigungen erstürmten. Die Mann-
schaft unseres Kriegsschiffes Iltis zeigte dabei besondere Tapferkeit und erwarb
sich den wärmsten Dank ihres Kaiserlichen Herrn. Eine Abteilung der Ver-
bündeten marschierte nun auf Peking, wurde aber zurückgeschlagen', eine
zweite Abteilung erstürmte die Stadt und befreite die Gesandten. Aber im
Lande standen überall noch Boxerscharen. Darum schickten die Länder Ver-
stärkungen nach China, die das weite Reich säubern sollten. Zum Ober-
befehlshaber aller Truppen wurde der Feldmarschall Graf Waldersee ernannt,
der es verstanden hat, unter den Soldaten der verschiedenen Nationen die
Einigkeit herzustellen. Die Chinesen konnten gegen die Verbündeten nichts
ausrichten und baten um Frieden. Sie mußten 1 300 Millionen Mark Kriegs-
kosten zahlen und die Anführer der Empörer bestrafen. Prinz Tschun, ein
Bruder des Kaisers, mußte nach Berlin kommen und Abbitte leisten. Den
heimkehrenden Truppen hat die Stadt Berlin einen warmen Empfang be-
reitet. Der Kaiser ehrte sie durch eine Ansprache, lobte ihre gute Haltung
und dankte ihnen für die braven Dienste. — Auch im letzten Jahre hat der
Kaiser bewiesen, daß er scharf über Deutschlands Ehre wacht. Auf seiuen
Befehl hat unsere Flotte die Forderungen deutscher Kaufleute an Venezuela
erfolgreich unterstützt.
c) Der Kaiser sorgt für die arbeitenden Klassen. Unser Kaiser hat
wie sein Großvater ein warmes Herz für die arbeitenden Klassen. Am
1. Januar 1900 trat das Gesetz der Jnvaliditäts- und Altersversicherung in
Kraft. Es gewährt dem Arbeiter, der in seinem Beruf Invalide wird, die
Mittel zum Lebensunterhalt. Der 70 Jahre alte Arbeiter braucht uicht mehr
zu arbeiten; er erhält eine Rente, so daß er einen sorgenfreien Lebensabend
hat. Vor allen Dingen wollte der Kaiser die Steuern gerechter verteilen.
Das geschah durch das neue Einkommensteuergesetz, das eine steigende Ein-
kommensteuer einführte. Die Steuern werden mehr aus die Schultern der
Reichen gelegt, während Leute mit geringem Einkommen steuerfrei bleiben.
Auch in anderer Beziehung trat der Staat für die Arbeiter ein. Das Arbeiter-
schutzgesetz von 1891 hebt die Sonntagsarbeit für die Arbeiter ganz auf; für
die Gehilfen und Lehrlinge im Handelsgewerbe beschränkt sie dieselbe be-
deutend. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß in ihrem
Betriebe das Leben und die Gesundheit der Arbeiter vor Gefahren geschützt
sind. Schulpflichtige Kinder dürfen in Fabriken gar nicht beschäftigt werden,
Frauen höchstens 11 Stunden am Tage arbeiten. Gewerberäte und Fabrik-
inspektoren wachen über die genaue Befolgung der Schntzgesetze, und Gewerbe-
gerichte schlichten die Streitigkeiten zwischen den"arbeitern und den Arbeit-
gebern. So ist die Lage der Arbeiter bedeutend verbessert worden. Kein
Land kann sich in der Fürsorge für die Arbeiter unserem Vaterlande an die
Seite stellen. Kaiser Wilhelm I. hat den Ruhm, den Anstoß zur sozialen
Gesetzgebung gegeben zu haben. Unser jetziger Kaiser hat sie zu seinem und