1906 -
Berlin
: Klinkhardt
- Autor: Sandt, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Heinemann, Karl, Weber, Hugo
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
494
215* Die Schlacht bei Roszbach am 5. November 1757.
Von Dresden aus ging der König Friedrich nach Erfurt, die
vereinigten Franzosen und Reichsvölker zu einer Schlacht zu bringen.
Seine Lage war schrecklich; in der Nähe und in der Ferne Feinde,
die sich beständig mehrten; hatte er eine Armee geschlagen, so rückten
ihm wieder zwei andere entgegen. Ein Reichsbeschluß hatte ihn
aller seiner Länder, sa selbst der Kurwürde verlustig erklärt; der
Vorsatz und die Macht, ihn ganz zu Boden zu drücken, waren bei
seinen Feinden stärker als jemals. Nie war daher seine Hoffnung
schwächer, dennoch aber die Heiterkeit seines Geistes in eben diesem
Zeitpunkte groß. So gerecht- .aber auch seine Besorgnis war, der
Menge zu unterliegen, so nahm er doch alle Maßregeln, um sie zu
überwinden. Seine durch so viele Treffen geschwächte Armee war
nur 22000, die der Feinde 60000 Mann stark. Sie hatten schon
am s9- September eine Arobe der preußischen Tüchtigkeit erfahren
2. Der Generalstab der Franzosen mit ihrem Heerführer Sou-
bise an der Spitze hatte mit 8000 Mann Gotha zu seinem Er-
holungsorte ausersehen. Es war am herzoglichen bchfe große Tafel,
und auf den: Schlöffe hatte man gewaltige Zurüstungen gemacht,
die bewaffneten hohen Gäste wohl zu bewirten; die Tische waren
gedeckt, und die Franzosen zeigten den besten Appetit, als der preu-
ßische General Seydlitz mit f500 Reitern vor den Toren erschien.
Die 8000 Franzosen dachten an keinen Miderstand; sie verließen die
rauchenden Schüsseln und eilten aus der Stadt. Nur wenige ihrer
Soldaten wurden zu Gefangenen geinacht, aber desto mehr Kammer-
diener, Lakaien, Köche, chaarkünstler und Schauspieler, die damals
von einer französischen Armee unzertrennlich waren. Das Gepäck
vieler Generale [fiel den Preußen in die b)ände, darunter ganze
Kisten voll wohlriechender Master und Salben, desgleichen eine
Menge jdudermäntel, Haarbeutel, Sonnenschirme, Schlafröcke und
Papageien. Seydlitz ließ sich mit seinen Offizieren den Rest der
Speisen wohlschmecken, übergab einen Teil der Beute seinen Husaren
den gefangenen Troß aber schickte er ohne Lösegeld zurück.
3. Die Franzosen waren darüber ebenso vergnügt, als ob sie
ein Treffen gewonnen hätten; der Blut zu fechten wuchs ihnen, und
ihre einzige Besorgnis war, daß der König ihnen entrinnen möchte.
Einige seiner Märsche und Stellungen bestärkten sie in dieser Ver-
mutung. Sie kannten seine schnellen Bewegungen und Mendungen
und seine Kriegskunst überhaupt bloß aus Erzählungen, die aber