1906 -
Berlin
: Klinkhardt
- Autor: Sandt, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Heinemann, Karl, Weber, Hugo
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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mit der Fackel in der Faust, das Geschütz die steilen Abhänge hinauf;
und als der nebelgraue Morgen des 14. Oktobers anbrach, hielt der
Imperator schon den sichern Sieg in Händen. Wie sollte dieser
Bruchteil der preußischen Armee sich gegen das französische Hauptheer
behaupten, das jetzt mit erdrückender Übermacht von den beherrschenden
Höhen aus den Angriff begann?
Die Franzosen beflügelte das kriegerische Feuer junger, sieg-
gewohnter Führer, die Verbündeten lähmte die Bedachtsamkeit ihrer
hilflosen alten Stabsoffiziere, und als nun in der frühen Herbstnacht
der Rückzug gegen Weimar angetreten wurde, da zerrissen die letzten
sittlichen Bande, welche das Heer noch zusammenhielten. Taub gegen
die Mahnungen ungeliebter Führer, dachte der Soldat nur an sich
selber. In einem unförmlichen Klumpen wälzten sich die Trümmer
der Bataillone und Batterien, dazwischen eingekeilt der unendliche
Troß, über die Hochebene dahin; jeder Hornruf des nachsetzenden
Feindes steigerte die Verwirrung, weckte die gemeine Angst um das
Leben. „Das waren Greuel," sagt Gneisenau, dieser fürchterlichen Nacht
gedenkend, „tausendmal lieber sterben, als das noch einmal erleben!"
3. Gleichzeitig erfocht Davoust einige Meilen flußab einen un-
gleich schwereren Sieg über die preußische Hauptarmee. Er zog auf
der Straße von Naumburg westwärts, um den Preußen den Weg
zur Elbe zu verlegen. Als seine Kolonnen am Morgen des Vier-
zehnten soeben aus dem Kösener Engpässe auf die wellige Hochfläche
hinaufgerückt waren, die bei Auerstädt steil über dem linken Saalnfer
emporsteigt, da stießen die beiden Heere plötzlich im dichten Nebel
aufeinander, beide im Marsch, beide des Kampfes nicht gewärtig, die
Preußen hier an Zahl dem Feinde reichlich gewachsen.
Schon während der ersten Stunden der Schlacht wurde der
Herzog von Braunschweig tödlich verwundet; das preußische Haupt-
heer blieb in den entscheidenden Augenblicken ohne Oberbefehl. Wohl
drang Scharnhorst mit dem linken Flügel siegreich vor; aber es ge-
lang dem Feinde, den rechten Flügel zu werfen, und nun mußte auch
Scharnhorst weichen. In leidlicher Ordnung ging das Heer zurück,
um weiter westlich gegen Norden abzubiegen und den Weg über
Sangerhausen nach Magdeburg einzuschlagen.
4. Dieselbe Rückzngsstraße hatte auch Hohenlohe von Weimar
aus genommen, und jetzt erst, da die beiden geschlagenen Heere im
Dunkel der Nacht aufeinander trafen, ward der Schrecken allgemein
und die Hauptarmee in die Zerrüttung des Hohenloheschen Korps
mit hineingerissen. Die Mannschaft sah stumpf und teilnahmlos den