1908 -
Hannover
: Helwing
- Autor: Hüttmann, J. F., Jastram, Heinrich, Feddeler, Gustav, Marten, Adolf, Renner, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Realienbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte, Geographie
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
111
zum ersten Male in seinem Leben eine Bibel. Er las und las und
freute sich über die schönen Geschichten, die er hier fand. Je mehr er
in der Bibel studierte, desto weniger Lust verspürte er, ein Rechts-
gelehrter zu werden. Aber er fürchtete sich, seinem strengen Vater davon
etwas zu sagen. Dazu wurde er schwer krank, daß er ernstlich an den
Tod dachte. Da tauchte die Frage in seiner Seele auf: wenn du jetzt
sterben müßtest, wie würde es dir vor dem Richterstuhle Gottes er-
gehen? Luther genas; aber die Frage konnte er nicht wieder los werden.
Als er einst von einem Besuch seiner Eltern heimkehrte, überraschte ihn
ein heftiges Gewitter. Ein Blitzstrahl fuhr nicht weit von ihm in die
Erde. Er erschrak heftig und rief: „Hilf, liebe Sankt Anna, ich will
ein Mönch werden!" Wenige Tage später lud er seine Freunde zu sich
ein, bewirtete sie und nahm Abschied von ihnen. Sodann ging er zu
dem Augustinerkloster und bat um Einlaß. Die Pforte öffnete sich,
Luther trat ein und wurde ein Augustinermönch.
8 68. König Friedrich Wilhelm I. von Preußen.
1. Wie einfach der König lebte. Als Friedrich Wilhelm König
geworden war, ließ er sich die Liste dev Hofbeamten vorlegen. Von
100 Namen strich er mehr denn 80 aus. Die Träger der gestrichenen
Namen waren entlassen. Nur eine kleine Schar der tüchtigsten Beamten
behielt der König. Er bewilligte ihnen aber nur den dritten Teil
ihres bisherigen Gehaltes. Nachdem er die Leiche seines Vaters mit
aller Pracht hatte beisetzen lassen, zog er seinen einfachen, blauen
Soldatenrock an. Nur selten in seinem Leben trug er einen andern
Anzug, als die Uniform. Sämtliche Hofbeamte mußten ebenfalls
Uniform tragen. Das kostbare Silberzeug des Vaters ließ er zum
großen Teil einschmelzen und Geld daraus prägen. Mit dem Gelde
bezahlte er die Schulden, die der Vater ihm hinterlassen hatte. Ebenso
machte er es mit dem Gelde, welches er für die kostbaren Weine im
Schloßkeller, für die überflüssigen Pferde, Wagen und Möbeln bekam.
Er aß mit seiner Familie von Zinngeschirr. Auf der Mittagstafel
standen nur wenige, aber nahrhafte Speisen, die der König selber für
jeden Tag bestimmte.
2. Des Königs Tagewerk. Friedrich Wilhelm arbeitete
rastlos für das Wohl seiner Untertanen. Schon früh stand er aus,
aß sein einfaches Frühstück und hielt die Morgenandacht. Daraus
ging er in sein Arbeitszimmer und hörte seine Minister. Dann gab er
ihnen seine Befehle, die sie schleunigst ausführen mußten. Dann stieg
er zu Pferde und ritt zum Exerzierplätze. Gegen Mittag kehrte er ins
Schloß zurück. Nun empfing er fremde Gesandte und wer ihn sonst
zu sprechen wünschte. Punkt 12 Uhr gings an die Mittagstafel. Nach
Tisch sah der König sich in Berlin oder Potsdam um. Besonders be-
sichtigte er, was neu gebaut wurde. Ab und zu lud er die Herren der