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1. Abt. 2 - S. 12

1884 - Wismar : Hinstorff
12 13. Klage des Hasen. Ich armer, verfolgter Hase, mas soll ich noch anfangen? Wo- hin mich flüchten? Allenthalben droht mir der Tod. Nicht bloß der Jager und sein Hund stellen mir nach; Raubvögel aus der Luft stürzen auf mich herab, Füchse aus den Höhlen schleichen mir nach; selbst Katzen und Raben wagen sich an meine Jungen. Und nichts gewährt mir Schutz vor all' diesen Verfolgern. Ich kann nicht auf Baume klettern, wie das Eichhorn, nicht in Höhlen schlüpfen, wie meine Gebrüder, die Kaninchen. Ich habe wohl Zähne zum Nagen, und mancher Baum kann von der Schärfe derselben reden; aber zum Beißen, zur Verteidigung fehlt mir der Mut. Höre ich ein Geräusch, sogleich muß ich meine langen Ohren in die Höhe recken und horchen, wer kommt, und kann ich mich nicht in eine Hecke oder Furche ducken, so laufe ich lieber, so weit mich meine Beine tragen. Es ist wahr, im Laufe holt mich so leicht keiner ein, es müßte gerade ein Wind- spiel sein; auch an Kreuz- und Quersprüngen lasse ich es nicht fehlen, um meine Feinde irre zu führen, — aber was hilft es mir? Ehe ein Jahr vergeht, bin ich doch ein Kind des Todes. Es paßt mir der Jäger auf, wenn ich des Abends aus dem Walde komme und meinen Hunger an dem fetten Grase stillen will. Da sitzt er in der Dämmerung hinter einer Mauer oder einer Hecke, und ehe ich mir's versehe, knallt sein Gewehr, und ich habe das tödliche Schrot im Leibe. Habe ich noch Leben genug, um dem Walde zu- zufliehen, flugs kommt auch noch der Hühnerhund, packt mich un- barmherzig und trägt mich seinem grausamen Herrn zu; quieke ich in der Todesangst vielleicht ein wenig, so werde ich noch ausgelacht. Im Winter verfolgen sie meine Spuren in: Schnee oder füllen den Wald und das Feld mit häßlichen Treibern, welche klappern und schreien, bis wir armen Hasen unsern Zufluchtsort verlassen und vor die offe- nen Gewehre der Jäger laufen. Und wär' unser Tod noch ehren- voll, und würden wir ehrlich begraben, wie ein Hund oder ein Pferd! Allein unser Los ist, in die Küche zu wandern. Da streift uns die blutige Hand einer Köchin den Balg ab und stopft ihn aus, bis er verhandelt wird. Unser Kopf, unsere Beine und Eingeweide werden in einem braunen Pfeffer zerkocht, und der Rest, das Beste an uns, wird mit Spicknadeln zerfleischt und dann erst gebraten. Nachdem die Menschen unser Fleisch abgeschält und verzehrt haben, werfen sie die Knochen ihren Hunden vor. Nein, es ist ein jämmerliches Schick- sal, ein Hase zu sein! „Gewiß, ffnein armer Hase, '^dein Los möchte ich nicht teilen. Mit wie vieler 9iot und Plage haben wir Menschen zu kämpfen, — 3fein Leben ist denn doch voller Angst und Weh! Klnser menschliches Dasein ist oft nur ein kurzes; üeucr Leben, ihr Hasen, zählt überall nur nach Wochen. Wohl niemand beneidet sie um bii)r Los l" (W. Curtmann.)
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