1884 -
Wismar
: Hinstorff
- Autor: Schraep, J.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
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Über 500 Kaufleute beschaffen den Handel in alle Weltgegen-
den. Hamburg besitzt ein eigenes Gebäude, die Börse genannt, in
welchem die Kaufleute in den Mittagsstunden ihre geschäftlichen Zu-
sammenkünfte haben. Die Handelsschiffe führen uns eine Menge
Artikel vom Auslande zu. Aus Amerika befördern sie Kaffee, Tabak,
Baumwolle re., aus Rußland Pelzwerk, Hanf, Flachs, Leder re.,
aus Schweden und Norwegen Eisen, Bretter, Teer, Heringe re.,
aus Frankreich, Spanien, Italien und anderen südlichen Ländern
Wein, Citronen, Apfelsinen, Seidenwaren re., aus Ostindien Thee
und allerlei Gewürze u. s. w. Andererseits schickt auch Deutschland
Produkte ins Ausland, namentlich nach Amerika Leinwand, Wolle
und allerlei Gerätschaften von Eisen. — Im Jahre 1842 zerstörte ein
zehntägiges, schreckliches Feuer den dritten Teil der reichen und schönen
Handelsstadt. Prachtvolle Häuser, Straßen und Plätze sind nach dem
Brande in diesem Stadtteil entstanden. Hamburgs Tiergarten ist sehr
schön. Die Berlin-Hamburger Eisenbahn besteht seit 1846; auf
mecklenburgischem Boden wurde der erste Spatenstich zu der Bahn
am 6. Mai 1844 gethan.
Berlin, die Kaiserstadt, in einer großen sandigen Fläche und
zu beiden Seiten der Spree gelegen, hat sich mit wunderbarer
Schnelligkeit entwickelt. Die Bevölkerung hob sich namentlich nach
dem letzten Kriege (187%i), und ihre Zahl hat bereits die erste
Million weit überschritten, so daß also in Berlin etwa noch einmal
so viele Menschen leben, als in den beiden Großherzogtümern
Mecklenburg zusammen oder es ist nach der Einwohnerzahl 28mal
größer als Rostock. Einst ein armes Fischerdorf, von Albrecht dem
Bären (1106—1170), dem ersten Markgrafen der Mark Branden-
burg, als Stadt (nebst Spandau) gegründet — ist Berlin jetzt eine
Weltstadt. Und was für eine schöne Stadt! Durchgehends ist ihr
Aussehen ein neumodisches und ganz verschieden von dem alter Haupt-
und Handelsstädte. Unter den hunderten von Straßen sind nur
wenige eng und krumm; die herrlichste ist die unter den Linden,
72 Schritt breit und über 1000 Schritt lang, mit vier schnurge-
raden Linden- und Kastanien-Alleen bepflanzt — ein grüner Wald
inmitten der glänzendsten Straße der Residenz — und von der über
eine Stunde langen, ganz geraden Friedrichsstraße durchschnitten.
Wie reich ist die Stadt an Prachtgebäuden und öffentlichen Plätzen!
Am Ende der Straße „unter den Linden" besitzt Berlin einen Platz,
wie ihn wohl weiter keine Stadt der Welt aufzuweisen hat, einen
Platz, um welchen zu beiden Seiten mehrere Paläste, Museei:, eine
Kirche, die Universität, das Zeughaus und andere großartige Gebäude
liegen. Sobald mau durch das wunderschöne Brandenburger-
Thor in die Stadt tritt, hat man einen andern großen Platz,
Pariser Platz genannt, vor sich, der rings mit prächtigen Palästen
umgeben ist. Die Standbilder der großen Helden des preußischen
Staats gereichen den öffentlichen Plätzen und der Stadt §ur besonderen
Zierde. Das großartigste Denkmal ist das von Friedrich dem