1884 -
Wismar
: Hinstorff
- Autor: Schraep, J.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
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in ungeduldiger Hast bald weit vorausgeeilt. Er schwang sich über Klippen von
Fels zu Fels, ohne daß ihm jemand folgen konnte, und hatte endlich nur noch
eine schroffe Felswand zu erklimmen, um einen sichern Schuß aus eine erspähete
Gemse thun zu können. Mit beiden Händen griff er nach einer überhangenden
Felszacke, um sich hinauf zu schwingen; da brach ein Felsstück ab, auf das er eben
seinen Fuß gesetzt hatte: der Kaiser glitt ein Stück abwärts und befand sich un-
erwartet auf einer nur wenige Schritte langen und breiten Felsplatte, die über
einen tiefen Abgrund hervorragte. Hinter sich die uncrstcigliche Wand, von vorn
und rechts und links eine schwindelnde Tiefe unter sich, erschien er sich selbst
rettungslos verloren. Niemand wußte zu raten und zu helfen. Volle 52 Stun-
den hatte Maximilian so in Todesangst geharrt. Da erschien die unverhoffte
Rettung. Zwei kühne Bergleute hatten mit höchster Lebensgefahr von einer andern
Seite die Martinswand (so hieß die Felsenwand, an die sich der Kaiser mit
dem Rücken lehnte) erklimmt; sie zogen ihn an einem herabgeworfenen Seile, das
er sich um den Leib schlang, mit großer Anstrengung in die Höhe, und durch
Gottes Hülfe gelang die von allen im inbrünstigen Gebet crflehete Rettung. Im
Thale angelangt, dankte Maximilian und mit ihm seine Getreuen und die ver-
sammelte Menge Gott auf den Knien; von allen Türmen aber verkündete das
weithin schallende Geläut der Glocken das glückliche Ereignis. Seine Retter be-
lohnte Maximilian mit großen Gütern und Würden, und ihre Nachkommen stehen
heute noch in großen Ehren. Auf der höchsten Spitze der Martinswand ließ der
Kaiser zum Andenken seiner wunderbaren Rettung ein 5 Meter hohes Kreuz er-
richten, das noch jetzt, 300 Meter hoch über dem Jnnfluß erhaben, zu erblicken ist.
Eine der wohlthätigsten Anstalten, die Deutschland dem 'Kaiser Max zu
verdanken hat, sind die Posten. Früher wurden Briefe durch leitende Boten
von einer Handelsstadt zur andern, Packete und Personen aber durch Lohnkutscher
befördert. Die Briefe ins Ausland, so wie an Orte, die nicht an der Straße
lagen, mußten durch Gelegenheiten oder durch eigene Boten abgesendet werden,
was teils unsicher, teils sehr kostspielig war. Maximilian errichtete 1516 zuerst
zwischen Wien und Brüssel eine regelmäßige Postverbindung, welche sich nach und
nach über ganz Deutschland verbreitete und immer mehr vervollkommnet wurde.
Eine andere für das ganze Reich wohlthätige Einrichtung war die Einteilung
Deutschlands in 10 Kreise, von welchen jeder seinen Kreisobersten hatte. Durch
diese Einrichtung wurde die Ordnung und Sicherheit im Lande selbstverständlich
besser gehandhabt als früher. Über allen Kreisen stand das Rcichskammergericht,
durch das der „ewige Landfriede", vom Kaiser auf dem Reichstage zu Worms fest-
gesetzt, allgemeine Gültigkeit erhielt. Damit hatte der edel denkende Herrscher
das frühere Faustrecht mit seiner Willkür und seinem Unwesen aufgehoben, so daß
jetzt niemand den andern mehr befehden und berauben durfte. Maximilian starb
im Jahre 1519; in ihm ging der „letzte Ritter" zu Grabe.
(Bräunlich und Ritsert.)
229. Deutsches Land und deutsches Reich.
(* Von Eugen Labes.)
Deutsches £anb und deutsches Reich Meere, Seen, Berge blau,
Sind den allerbesten gleich: Gottgesegnet Feld und Au.