1889 -
Braunschweig [u.a.]
: Wollermann
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Schweiz hörte, beschloß er, strenge Rache an den „Bauern" zu nehmen. Aber es sollte
anders kommen. Ein Neffe des Kaisers, Johann von Schwaben, bat den Kaiser wieder-
holentlich, ihm sein väterliches Erbteil (Schwaben) zurückzugeben. Der Kaiser hörte
ihn jedoch kaum an und vertröstete ihn stets auf die Zukunft. Da beschloß der Jüng-
ling, den Kaiser zu ermorden. Als dieser am 1. Mai 1308 gegen die Schweizer heran-
rückte u;id in einem Kahne über die Reuß setzte, sprang Johann mit einigen Freunden
am andern Ufer auf ihn zu und raunte ihm das Schwert in den Nacken mit den Worten:
„Das ist der Lohn des Unrechts!" Dann verschwand der Mörder. Er soll in das
Kloster zu Pisa gegangen und daselbst als Mönch gestorben sein.
4. Isreiheit.skärnpfe der Schweizer. Noch zweimal mußten die Schweizer für ihre
Freiheit gegen Ostreich ins Fetd ziehen. Zuerst (1315) kam es bei Morgarten zum
Kampf. Aber hier wie auch später (1386) bei Sempach siegte das tapfere Volk der Hirten
über die wohlgerüsteten Ritter Östreichs. Als bei Sempach die Ritter in geschlossenen
Reihen mit vorgehaltenen Speeren zum Angriffe vorrückten, da rief — wie die Sage be-
richtet — Arnold von Winkelried seinen Kampfgenossen zu: „Getreue, liebe Brüder, ich will
euch eine Gasse machen. Sorgt für mein Weib und meine Kinder!" Mit diesen Worten
sprang er vor, umfa> te mit beiden Armen so viel Spieße als er konnte, drückte sie sich in
die Brust und riß Mann und Spieß zu Boden. In die so entstandene Lücke drangen die
Eidgenossen ein und zersprengten so mit ihren Hellebarden das stolze Heer der Ritter.
Durch diesen Sieg begründeten die Schweizer ihre Freiheit, welche ihnen 1648 im west-
fälischen Frieden auch rechtlich zuerkannt wurde.
23. Städte ixn Wittekcrtter7.
1. Wcrucrrl. Die Städte waren zum Schutz gegen die Feinde mit einer hohen,
oft doppelten Mauer umgeben, auf welcher sich runde, eckige oder spitze Wehrtürme be-
fanden. An einzelnen Stellen führten enge Thore durch die Mauer in die Stadt,
welche nachts durch mächtige Thorflügel geschloffen wurden. Die Feldmark der Stadt
war noch von einem besondern Walle oder Graben umzogen, der an den Wegen mit
hohen Warttürmeu besetzt war. Von ihnen kündeten spähende Wächter durch Trompeten-
stoß den nahenden Feind. Die Straßen der Stadt waren ungepflastert, gekrümmt und
so eng, daß man oft über sich den blauen Himmel kaum zu sehen vermochte. Die
Häuser waren mit überstehenden Stockwerken gebaut und mit zierlichen Ecktürmchen,
Holzbildern und frommen Sprüchen geziert. Meistens standen ihre Giebel nach der
Straße hin. Oft war das Dach mit Schindeln oder Stroh gedeckt und die Hausthür
quer in der Mitte geteilt. Auf den Straßen fand man Brunnen mit Rolle, Kette
und Eimer.
2. §>tabtcee>en. Mit großer Vorliebe trieb der Städter Ackerbau, und daher
behielten auch die Städte lange Zeit hindurch das Aussehen eines großen Dorfes.
Vor dem Hause lag in der Regel ein großer Düngerhaufen, und die Schweine liefen
fast den ganzen Tag frei aus der Straße umher. Des Morgens „tutete" der
Hirt die Kühe und Schweine zusammen und trieb sie dann auf die gemeinschaftliche
Weide. Eins der liebsten Feste der Städter war das Frühlingsfest, an welchem ein
bunt bekränzter Knabe an der Spitze gewappneter Bürger als Sonnengott in den
Wald zog. Hier ergötzte man sich unter einem glatt geschälten Baum mit grüner
Krone durch Spiel und Tanz. Später verwandelte sich dieses Fest in das Schützen-
fest. Dabei wurde ein bunter Frühlingsvogel von der Stange herabgeschossen und
der Sieger belohnt. Den Haupterwerbszweig des Städters bildeten Handel und
Gewerbe. Unter den Künsten blühte vornehmlich die Baukunst. Der Kölner Dom
und das Straßburger Münster geben noch heute Zeugnis davon. Auch die Gold-
schmiedekunst und die Kunst des Siegelschneidens wurden eifrig betrieben. Jede Stadt
hatte ihr besonderes Wappen, Lübeck z. B. ein Schiff auf hoher Flut, Magdeburg eine
Jungfrau über den Zinnen, Worms einen Lindwurm, Braunschweig einen Löwen.
3. Heschkechtev. Ursprünglich bestanden die Bewohner der Städte aus freien