1889 -
Braunschweig [u.a.]
: Wollermann
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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6. Are Kcrnscr. Zur Zeit des Faustrechts lauerten die Raubritter nicht selten den
vorüberziehenden Kaufleuten an der Heerstraße auf oder plünderten ihre Schiffe, die
den Rhein und die Elbe befuhren. Da vereinigten sich Lübeck und Hamburg (1241)
und beschlossen, sich gegen diese Räuber zu schützen. Sie schufen sich ein eignes Heer
und rüsteten Kriegsschiffe aus, welche die Kauffahrer auf der Elbe in Schutz nahmen.
Diesen Bund nannte man die Hansa. Bald traten nun auch noch andre Städte diesem
Bündnisse bei, wie Braunschweig, Stralsund, Stettin, Köln, Frankfurt a. O., Königs-
berg, Magdeburg u. s. w., im ganzen 60 Städte, und es dauerte nicht lange, so zittert«
alles vor der Macht der Hansa. Sie hatte eine Flotte von 200 Schiffen, ein furchtbares
Landheer und führte Krieg mit Fürsten und Königen. So erklärte einmal der Bürger-
meister von Danzig dem Könige von Dänemark den Krieg. Jn L'weck war der Bundes-
tag. Hatte eine Stadt ihre Pflicht nicht erfüllt, so,wurde sie „gehanset", d. h. aus dem
Bunde gestoßen. 300 Jahre lang war die Hansa in voller Blüte. Im 15. Jahrhundert
aber zerfiel sie allmählich, weil die Fürsten selbst mehr für Ordnung und Sicherheit
sorgten.
24. Aemge^ichte. Derr schwurrze Goö. Frondienste.
1. Iemgerichte. In den schütz- und rechtslosen Zeiten des Faustrechts verbreiteten
sich die aus den alten Volksgerichten der Franken gebildeten Femgerichte durch ganz
Deutschland. Sie gewährten jedem Freienden sichersten Schutz und waren der Schrecken
aller Übelthäter. Ihre obersten Richter hießen Freigrafeu, die übrigen Mitglieder Frei-
schöffen oder auch „Wissende", weil sie um die Geheimnisse der Feme wußten. Das Ge-
richtwurde auf der „Malstütte" abgehalten. Dort bestieg der Freigraf den „Fceistuhl".
Vor ihm aus einem Tische lagen Schwert und Strick, die Zeichen des Rechts über Leben
und Tod. Der oberste Freistuhl war in Dortmund unter der Femlinde, die noch heute
als Zeuge jener Gerichtsstätte dasteht. War jemand bei dem Femgerichte verklagt, dann
ward er durch den Ladebrief mit 7 Siegeln vorgeladen. War er ein Ritter, der auf
seiner Raubburg verschlossen wohnte, so hefteten die Fronboten die Ladung des Nachts
an das Thor, schnitten aus demselben 3 Späne als Wahrzeichen und schlugen dreimal
laut gegen die Thorflügel. Erschien der Angeklagte, so führte man ihn mit verbundenen
Augen in den Kreis der Richter und las ihm die Anklage vor. Bekannte er sich schul-
dig, oder wurde er überführt, dann sprachen die Schöffen das Urteil; war es die Todes-
strafe, so wurde er sofort, meistens von dem jüngsten Schöffen, an den nächsten Baum
gehängt. Gelindere Strafen waren Landesverweisung und Geldbuße. Erschien der An-
geklagte nicht, so galt er als schuldig und ward „verfemt". Dann wurde der Name des
Verurteilten in das Blutbuch geschrieben und der also Verfemte von allen Wissenden
verfolgt. Keiner von ihnen durste das Urteil verraten, aber jeder hatte die Pflicht, es
zu vollstrecken, doch mußten sie dabei zu dreien sein. Wo sie des Verfemten habhaft
werden konnten, zu Hause oder aus der Straße, da stießen sie ihn nieder oder hängten
ihn. Zum Zeichen, daß der Getötete durch die heilige Feme gefallen, ließ man ihm alles,
was er hatte, und steckte ein Messer neben ihm in die Erde. Das letzte Femgericht
wurde im Jahre 1568 in Celle abgehalten.
L. Der schwarze Hod. Etwa um die Mitte des 14. Jahrhunderts (von 1348—50)
wurde ganz Europa von einer furchtbaren Pest heimgesucht, die man in Deutschland mit
dem Namen „schwarzer Tod" belegte. Die von der Krankheit Befallenen wurden am ganzen
Körper mit Geschwüren — Pestbeulen — bedeckt, spieen Blut aus und starben meistens
schon nach 3 Tagen. Große Städte verloren oft mehr als die Hälfte ihrer Bewohner
(Straßburg 16000), und viele Dörfer starben ganz und gar aus. Das Volk glaubte nicht
anders, als daß die Juden durch Vergiftung der Brunnen das Unglück herbeigeführt hät-
ten. Infolgedessen wurden dieselben in den nieistcn Städten verfolgt, zu Haufen getrieben
und in ihren Häusern verbrannt. Andere wiederum sahen die Pest als ein Strafgericht
Gottes an, das man durch „Gcißlersahrten" abzuwenden suchte. Scharen von 100—300
Büßern zogen paarweise mit Kreuzen, Fahnen und Kerzen von einer Stadt zur andern.