1904 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kahnmeyer, Ludwig, Schulze, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 61
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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I
schwärmerischen Eifer so weit ging, mit seinem Anhange die katholischen Geistlichen
zu vertreiben und Heiligenbilder und Altäre zu vernichten. Da hielt es Luther nicht
länger auf der Wartburg. Entrüstet eilte er nach Wittenberg und predigte 8 Tage
lang so eindringlich gegen Karlstadt und seine Anhänger, daß diese die Stadt
verlassen mußten.
12. Melanchthon war Luthers treuester Freund und ein sehr gelehrter und
frommer Mann. Er hieß eigentlich Schwarzerd und war der Sohn eines Waffen-
schmieds. Auf der Schule war er der Liebling der Lehrer, und mit 21 Jahren
schon wurde er Professor an der Universität zu Wittenberg. Hier schloß er eine
innige und ungetrübte Freundschaft mit Luther. Er war von zarter Gestalt,
schlicht, sanft und aufrichtig und stand Luther in allen Dingen treu zur Seite,
besonders förderte er durch seine Sprachkenntnisse das Werk der Bibelübersetzung.
Er ist auch der Verfasser der Augsburgischen Konfession. (S. 68.)
13. Luthers Familienleben. Luthers Gemahlin — eine ehemalige Nonne —
hieß Katharina von Bora. Mit ihr verlebte er eine glückliche Ehe. „Ich bin
im Besitze meiner lieben Käthe reicher und glücklicher als Krösus," sagte er. An
seinen Kindern hatte er große Freude. Aber obwohl er sie sehr lieb hatte,
erzog er sie doch sehr strenge. Seinem Sohne Hans, dem er jenen bekannten
lieblichen Brief von dem schönen Garten schrieb, verweigerte er einmal 3 Tage die
Verzeihung. „Ich will lieber einen toten als ungeratenen Sohn haben," sagte
er. Einst erkrankte seine innig geliebte vierzehnjährige Tochter Magdalena. Luther
stand an ihrem Bette und sagte: „Ich habe sie sehr lieb; aber, lieber Gott, da es
dein Wille ist, daß du sie dahinnehmen willst, so will ich sie gern bei dir wissen."
Dann sprach er zu seinem Töchterchen: „Magdalenchen, du bleibest gern hier bei
deinem Vater und ziehest auch gern hin zu jenem Vater?" Und das kranke Kind
antwortete: „Ja, Herzensvater, wie Gott will." Am folgenden Tage starb sie,
und als sie im Sarge lag, sagte Luther: „Du liebes Kind, wie wohl ist dir
geschehen! Du wirst wieder aufstehen und leuchten wie ein Stern, ja, wie die
Sonne." — Bei Tische liebte Luther heitere Unterhaltung, und wenn man Abends
an seinem Hause vorüberging, so hörte man darinnen anmutige Musik erklingen.
Seine Kinder sangen die lieblichsten Weisen, und Luther selbst begleitete den
Gesang mit Flötenspiel oder mit der Laute.
14. Luthers Tod. Im Jahre 1546 reiste Luther auf Einladung des
Grafen Mansfeld nach Eisleben. Er sollte aber Wittenberg nicht wiedersehen. In
Eisleben, wo dieser Gottesheld geboren, sollte er auch sterben. Schon auf der
Hinreise wurde er krank, und in Eisleben verschlimmerte sich die Krankheit. Bald
befiel ihn eine heftige Brustbeklemmung und warf ihn aufs Krankenbett. Kurz
vor seinem Ende rief er dreimal hastig hintereinander: „Vater, in deine Hände
befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöset, du treuer Gott." Dann rief ihm
sein Freund vr. Jonas laut ins Ohr: „Ehrwürdiger Vater, wollt Ihr auf
Christum und die Lehre, die Ihr gepredigt habt, beständig bleiben?" Luther
antwortete deutlich hörbar: „Ja!" wandte sich auf die rechte Seite und entschlief.
Seine Leiche wurde nach Wittenberg gebracht und dort in derselben Kirche bei-
gesetzt, an deren Tür er einst die 95 Thesen geschlagen hatte.
39- Verlauf der Reformation.
1. Ausbreitung der Reformation. Die Lehre Luthers, aus der reinen
- Quelle des göttlichen Wortes selbst geschöpft, ergriff wunderbar die Herzen des
Volks, und an vielen Orten, wo Priester und Volk einig waren, führte man,
Kahnmeyer u. Schulze, Realienbuch A. (I. Geschichte.) 5