1904 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kahnmeyer, Ludwig, Schulze, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 61
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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ohne viel Aufhebens davon zu machen, die Reformation ein. Die Fürsten ließen
es entweder stillschweigend geschehen oder gaben Wohl selbst die Anregung dazu,
wie z. B. der Landgraf Philipp von Hessen. Philipp war schon seit dem Reichs-
tage zu Worms der Reformation geneigt und erklärte später, er wolle lieber Leib
und Leben, Land und Leute lassen, als von Gottes Wort weichen. Nach und
nach wurde die neue Lehre auch in Brandenburg (S. 82), Sachsen und anderen
norddeutschen Ländern eingeführt, während in Österreich und Bayern die An-
hänger der neuen Lehre durch Kerker, Pranger und Hinrichtungen verfolgt
wurden. Auch in Dänemark, Norwegen und Schweden fand die Reformation
frühzeitig Eingang.
2. Wirkungen der Reformation. Die Reformation machte ihren Einfluß
bald auf den mannigfaltigsten Gebieten geltend. Die Klöster wurden aufgehoben,
und den Priestern gestattete man, sich zu verheiraten. In Kirche und Schule, in
Volk und Familie kam neues Leben. Die von Luther verdeutschte Bibel bildete
von jetzt an die alleinige Richtschnur für die kirchliche Lehre. An Stelle der
lateinischen Messe trat die Liturgie in deutscher Sprache. Die Anrufung und Ver-
ehrung der Heiligen unterblieb, und beim Abendmahl wurde den Laien auch
wieder der Kelch gereicht. Die Gemeinde selbst beteiligte sich am Gottesdienste
mit dem Gesänge geistlicher Lieder, die größtenteils von Luther selbst gedichtet
waren, wie z. B. das allbekannte: „Ein' feste Burg ist unser Gott". Als Luther
einst bei einer Kirchenvisitation in den umliegenden Dörfern Wittenbergs die große
Unwissenheit des Volks sowie der Priester und Lehrer kennen lernte, da schrieb er
für die Geistlichen und Lehrer den großen, für die Jugend den kleinen Katechismus,
aus dem sie lernen sollten, was zu ihrer Seligkeit dienlich sei. Auf sein Drängen
wurden an vielen Orten Schulen errichtet, in denen Bibel, Gesangbuch und
Katechismus auf lange Jahre hinaus die einzigen Lernbücher waren.
Die Sprache, deren sich Luther in diesen seinen Büchern bediente, war die Sprache
der sächsischen Kanzlei. Sie wurde durch Luther die herrschende in Deutschland und ver-
drängte bald alle anderen Mundarten aus der Schriftsprache. So ist Luther nicht bloß
der Reformator unserer Kirche, sondern auch der unserer Sprache geworden.
40. Der Bauer im Mittelalter und der Bauernkrieg.
1. Bauernelcnd. Der Bauer war dazumal meist ein recht armer Mann.
Er hatte kaum Zeit, sein kleines Feld zu bestellen; denn er mußte für seinen
Herrn 3—4 Tage in der Woche mit seinem Gespann arbeiten. (S. Frondienste,
S. 50!) Dazu kam noch, daß ihm seine Ernte oft von dem zahllosen Wild fast
ganz vernichtet wurde. Wehe ihm, wenn er sich's einfallen ließ, ein Stück Wild
totzuschlagen! Einen Hasen zu töten, kostete schon 100 Taler Strafe. Die
schlimmsten Feinde des Bauern aber waren die fremden Ritter. Wenn diese mit
einem Herrn in Fehde lagen, so überfielen sie meist seine Bauern, trieben ihnen
das Vieh von der Weide und steckten ihnen Haus und Hof in Brand.
2. Der Bauernkrieg. Als nun Luther von evangelischer Freiheit und
Gleichheit vor Gott predigte, da meinten die Bauern an vielen Orten, auch in
irdisch-menschlichen Verhältnissen müsse Freiheit und Gleichheit herrschen. Religiöse
Schwärmer, wie Thomas Münzer in Mühlhausen u. a., bestärkten das Volk in
diesem Glauben und zogen mit bewaffneten Haufen sengend und brennend im
Lande umher. Überall, wohin sie kamen, vertrieben sie die Fürsten und richteten
Gütergemeinschaft ein. Luther, der anfänglich zum Frieden geraten hatte, forderte