1911 -
Berlin [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Sandt, Hermann, Schulze, Hermann, Trautwein, Emil, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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mit je einem Minister an der Spitze. Präsident. war der König selbst. Dieser
Oberbehörde wurden die Kriegs- und Domänenkammern unterstellt; sie standen an
der Spitze der einzelnen Provinzen. Unter ihnen standen wieder die Landräte für
das platte Land, die Kriegs- oder Steuerräte für die Städte. Von der Be-
amtenschaft forderte der König unermüdliche Tätigkeit, peinlichste Sorg-
falt und unbedingten Gehorsam. Er selbst war von früh bis spät tätig; die
Pflicht ging ihm über alles.
e. Verbesserung -es Steuerwesens.
Um die Staatseinnahmen zu vermehren, traf er folgende Maßregeln: a) Die
Domänen, die bislang in Erbpacht standen, wurden immer nur auf sechs Jahre
verpachtet (Zeitpacht); dadurch wurde die Pachtsumme erhöht, b) Früher mußten
die Besitzer der Lehnsgüter im Kriegsfälle Lehnspferde liefern. Diese Lie-
ferung wandelte man in eine jährliche Geldabgabe von 40 Talern um. c) Die
Akzise wurde auch in den westlichen Gebieten eingeführt, und die Steuersätze
wurden erhöht. 6) Die auf dem Lande erhobene Grundsteuer (Kontribution)
verteilte man gerechter; sie richtete sich nach dem Bodenwert. 6) Das Salz
wurde Staats mono pol, d. h. nur der Staat durfte Salz gewinnen und ver-
kaufen. — Trotz der großen Ausgaben hat der König durch weise Sparsamkeit
einen Staatsschatz von 30 Millionen Mark angesammelt.
(I. Seine Sorge für -ie Volkswohlfahrt.
1. Hebung der £andwirtscbaft und des Bauernstandes; Huf-
nahme der Saljburger. Die Landwirtschaft förderte der König, indem er
weite Landstrecken urbar machte, fremde Ansiedler ins Land rief, die Vieh- und
Pferdezucht hob und auf seinen Domänen Musterwirtschaften anlegte. Das Rhin-
und Havelländische Luch wurden entwässert und hier das Amt Königshorst mit
einer Musterwirtschaft angelegt. In Ostpreußen gründete der König zur Hebung
der Pferdezucht das Landesgestüt Trakehnen. Mehr als 20 000 lutherische
Salzburger, die von dem katholischen Erzbischof von Salzburg vertrieben worden
waren, siedelten sich in der Gegend von Memel, Tilsit, Gumbinnen und Insterburg
an23). Da eine Hebung der Landwirtschaft ohne die Hebung des Bauernstandes nicht
möglich war, befreite Friedrich Wilhelm auf seinen Domänen in Litauen alle
Bauern von der Hörigkeit. Für die Bauern der Edelleute konnte er diese Be-
freiung nicht durchsetzen. Den Amtleuten (Domänenpächtern) verbot er bei Strafe,
ihre Bediensteten mit Stock- oder Peitschenschlägen zur Arbeit anzutreiben, und dem
Adel untersagte er das Einziehen („Legen") der Bauernstellen.
2. Gewerbe und Handel. Um das einheimische Gewerbe zu schützen, sollte
alles, was im Lande verbraucht wurde, auch im Lande hergestellt werden. Auf
ausländische Waren legte der König hohe Zölle, und die Einfuhr fremder Wollwaren
verbot er ganz. Er zog Handwerker und Fabrikarbeiter aus der Fremde
herbei und errichtete Fabriken. Um dem Wollenwebergeschäfte aufzuhelfen,
ließ er sein Heer nur mit inländischem Tuche kleiden. In Berlin gründete er ein
großes Lagerhaus (Tuchfabrik), das sämtliches Tuch fürs Heer lieferte. Weil
damals viele Baumwollenstoffe vom Auslande eingeführt wurden, verbot er das
Tragen von kattunenen Kleidern.