1911 -
Berlin [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Sandt, Hermann, Schulze, Hermann, Trautwein, Emil, Kahnmeyer, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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vieler Mühe verbunden. Auf 100 Teile Solwasser kommen etwa 6—24 Teile
Salz. Zunächst sucht man das Wasser durch Luft und Sonnenwärme zu ver-
mindern: man „gradiert" die Sole. Zu dem Zwecke wird sie durch Pumpwerke
auf hohe, lange Dornschichten („Gradierwerke") geleitet und mittels durchlöcher-
ter Rinnen über deren ganze Länge verteilt. Aus diesen Rinnen rieselt das Wasser
auf die Dornen herab und fällt von Zweig zu Zweig. Dabei verdunstet viel
Wasser, und die erdigen Teile (kohlensaurer Kalk und Gips) bleiben an den
Dornen als „Dornstein" sitzen. Unten wird die Sole durch Behälter aufge-
fangen. Schwache Sole muß mehrmals gradiert werden. Ist die Sole hin-
länglich gesättigt, so wird sie in große Pfannen geleitet und gekocht. Dabei
scheidet sich das Salz in kleinen Kristallen aus, wird mit hölzernen Schaufeln
aus der Mutterlauge geschöpft und dann getrocknet.
b) Steinsalz. Auch in festem Zustande bietet uns die Natur das Kochsalz.
Es bildet oft förmliche Felsen und heißt dann Steinsalz. — Es läßt sich leicht
spalten. Dabei entstehen lauter kleine Prismen, deren Begrenzungsflächen das-
selbe Aussehen haben. Sie sind u. a. sämtlich eben und glänzend wie ein Spiegel.
Die Flächen eines Kristalls, die gleiche physikalische Beschaffenheit
besitzen, nennt man in der Kristalllehre „gleiche" Flächen, auch wenn
Gestalt und Größe nicht übereinstimmen. Die Spaltungsstücke des Stein-
salzes sind von sechs rechtwinkelig zueinanderstehenden gleichen Flächen begrenzt.
Einen solchen Kristall nennt man in der Kristalllehre einen Würfel. Das
Steinsalz kristallisiert also in Würfeln. — Das bedeutendste Steinsalzlager
Europas befindet sich bei Staßfurt. Auch bei Wieliczka (wjelitschka) in
Galizien ist ein berühmtes Steinsalzbergwerk.
Entstehung des Staßfurter Salzlagers. Die Schichtung des Salzes weist darauf
hin, daß es sich um einen Absatz aus Meerwasser handelt. Das Meerwasser enthält etwa
3°/o der verschiedensten Salze. Ungefähr davon ist Kochsalz. Würden wir uns die
Entstehung des Staßfurter Salzlagers so denken, daß das Wasser eines Meeres einfach
verdunstete und das Salz zurückließ, so dürfte die Salzschicht nicht sehr dick sein. Ihre
Dicke wird aber auf etwa 1000 m geschätzt. Man nimmt daher an, daß einst ein sehr
tiefer, bis zu den deutschen Mittelgebirgen reichender Nordseebusen vorhanden war, den
eine niedrige Barre von dem offenen Meere abschloß. Zugleich herrschte in einer nach Tau-
senden von Jahren zählenden Zeit eine Temperatur von 40—50 °. Das Wasser verdunstete des-
halb sehr schnell, und Kochsalz sank zu Boden. Alljährlich aber ersetzten gewaltige Sturmfluten
den Wasserverlust durch frisches Meerwasser. Dieses war reich an sehr schwer löslichem
Gips. Der Gips sank zuerst nieder und bedeckte in einer etwa fingerdicken Schicht das
abgeschiedene Salz des vorangehenden Jahres. Dann erfolgte wiederum die Ausscheidung
von Kochsalz in einer Schicht von 8—Io em. Da man die Zahl der Gipsschichten auf
10000 berechnet, hat der Vorgang wahrscheinlich ebensoviele Jahre gedauert. Alsdann
hob sich die Barre. Der Meerbusen war also vom Meere abgesperrt, so daß sein
Wasser gänzlich verdunsten konnte. Hierbei gelangten auch die während jener langen Zeit-
räume aufgespeicherten Kalium- und Magnesiumsalze (Abraumsalze) zur Abscheidung. Die
kostbaren Schätze wären zweifellos von den atmosphärischen Mederschlägen mit fortgespült,
wenn nicht Gebirgsströme mit ungeheueren Mengen von Ton und Sand eine Schutzdecke
darüber ausgebreitet hätten. Die Abraumsalze sind ein vorzügliches Düngemittel; auch
werden Pottasche und Salpeter daraus gewonnen.
c) Seesalz. Das Meer enthält viel Salz. Man gewinnt es in sogenannten Salz-
gärten. Das sind flache, mit niedrigem Damme umgebene Becken. Sie werden von Zeit
zu Zeit mit Seewasser gefüllt, das dann durch Sonne und Wind so weit zum Verdunsten