1893 -
Altenburg
: Bonde
- Hrsg.: Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
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ebenen Thalstrecke liegt, ist seine Oberfläche ziemlich eben; wo sich der
Thalboden allmählich senkt, bemerkt man auch eine Unruhe auf der Ober-
fläche, sie schlägt große, flache Wogen; wo aber die Thalstufe jäh abfüllt
und in der Tiefe vielleicht eine Thalenge bildet, so daß unter dem Ab-
sturze ein Kessel entsteht, zeigt der Gletscher seine eigentümlichste und
auffallendste Gestalt, seine Pracht; in unzählige Teile zerspalten, welche
von der Sonne und Luft allseitig angeschmolzen sind, stellt sich ein Wirr-
warr von Eistürmen, Obelisken, Pyramiden dar, oben in den Spitzen
weißlich, weiter herab grün, in grünblaue Färbung übergehend, in den
tiefsten Spalten dunkelblau; gegen den Rand zu schmilzt das ganze Ge-
türm gewöhnlich wieder zu einer dichteren Masse zusammen. Wenn die
Muränen des Zermattgletschers.
Thalstufe aber senkrecht und zu groß ist, so bricht er oben ab, und seine
Türme entstürzen fortwährend unter großem Donner und in Staub auf-
gelöst in das tiefere Thal, und hier erzeugt sich unter günstigen Uinständen
der Gletscher von neuem. Über die ebene Oberfläche des Gletschers ziehen
sich Längen- und Querspalten, welche nach ihrem Alter bald als Risse,
bald als weitklaffende Klüfte erscheinen und einen prächtigen Anblick ge-
währen durch ihr Farbenspiel, das sich vom lichtesten Grünweiß bis in
das schwärzeste Blau zieht, bis endlich in der Tiefe ein bodenloser, nächt-
licher Schlund erscheint.
Viele Bäche rauschen über die Oberfläche des Gletschers in blauen
Eisrinnen. Oft versenkt sich ein solcher Bach in eine tiefere Eisschicht
und rinnt unter der sichtbaren Oberfläche, nur dem Gehöre vernehmbar
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