1893 -
Altenburg
: Bonde
- Hrsg.: Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
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nicht auswaschen, damit seine Ware schwerer wiege. Er bringt dieselbe
nach Tripolis aus den Markt, wo sich um die Mitte September eine
Menge Kaufleute von den größeren Handelsplätzen des Mittelländischen
Meeres und selbst von Paris einfinden, um ihre Einkäufe zu machen.
319. Der Beduine.
Der Beduine ist der Sohn der arabischen Wüste. Er ist mittelgroß,
hager, der Körper ganz Flechse und Muskel, die Gliederung vom schönsten
Ebenmaß, das Antlitz ein regelrechtes Oval, die schwarzen, blitzenden
Augen scharf gespalten, Hand und Fuß zierlich gebildet, die Geberden
Der Beduine.
behende. Der Geist aber ist seiner Hülle würdig. Der anständigen
Körperhaltung entspricht der Adel und die Ritterlichkeit der Seele; der
Beduine ist treu und hält selbst dem Feinde Wort; er ist gastfrei in dem
Maße, daß er, selbst hungrig, ohne scheelen Blick den steinfremden Gast
aus seiner vollen Schüssel essen sieht; Mannesehre steht ihm höher, als
das Leben, die Schande wäscht er nur mit Blut ab. „Die Rach', die
Rach', nur nicht die Schmach!" ist noch immer das Kriegsgeschrei des für
seine und seiner Frau Ehre kämpfenden Beduinen. Es ist wahr, der
Beduine ist ein Räuber; Gewalt geht ihm vor Recht, keine Karawane ist
vor ihm sicher; aber Plünderung bei Nacht und Diebstahl ist ihm ein
Abscheu; den Besiegten und Beraubten läßt er nicht verschmachten, er
giebt ihm Obdach und Unterhalt; wer aber vor der Wanderung seinen
Schutz sich erkaufte, dem läßt er kein Haar krümmen. Immer bedacht
ans Raub, ist er eben so willig, wieder zu geben; auch der Ärmste bietet