1893 -
Altenburg
: Bonde
- Hrsg.: Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
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von seinem Brote und seinen Datteln den Zuschauern seines kargem
Mahles, und Almosengeben galt dem Araber aller Zeit für eine seiner
vorzüglichsten Verpflichtungen. Den schwarzen, blitzenden Augen entspricht
das Feuer seines Gemütes; sein Blut, leicht in Wallung, kühlt sich nicht
bald, und schwer versöhnlich ist das nach Rache dürstende Herz. Eine
Beleidigung nicht rächen, gilt für entehrend; die Verpflichtung zur Blut-
rache geht bis in das fünfte Geschlecht, und Verachtung trifft die, welche
sie nicht erfüllen. Der Lebhaftigkeit seiner Geberden entspricht ein scharfer,
zugespitzter Verstand, der sich an schlagenden Witzen und sinnvollen
Sprüchen ergötzt, und eine glühende Phantasie, die sich eine Welt dich-
terischer Bilder gestaltet; denn Dichtung ist Anfang und Ende der Weisheit
der Araber. Sie lieben es, bei hellem Mondscheine sich Märchen und
Geschichten zu erzählen oder zu singen. Jünglinge und Mädchen wieder-
holen in Chören den vom Vorsänger gesungenen Vers, indem sie ihren
Gesang mit Händeklatschen und allerlei Bewegungen des Körpers begleiten.
Der Beduine wohnt in Zelten, die aus Kamelharen gewebt sind.
Seine Kleidung ist, wie die Abbildung zeigt, ein wollenes Hemd und eil
Mantel, dessen weiße und braune Streifen der Haut des Zebra nach-
geahmt sind; seine Waffen bestehen in Schwert und Speer, Helm und
Panzer, hier und da auch in Schießgewehren; seine Speise ist süße und
saure Kamelsmilch, ungesäuertes Brot, Butter', Datteln, Trüffeln der
Wüste; sein Reichtum das Kamel und das edle Roß.
320. Ein chinesisches Gastmahl.
Einer der interessantesten Zwischenfälle während unseres Aufent-
haltes in Schang-hai bildete ein echt chinesisches Mahl, welches ein reicher
einheimischer Kaufmann, Namens Ta-ki,
den österreichischen Reisenden zu Ehren
gab. Die großen, nach Landessitte auf
blutrotem Papier in chinesischer Sprache
geschriebenen Einlaßkarten, in gleichfalls
blutroten Umschlägen steckend, wurden den
geladenen Gästen schon mehrere Tage
vorher ins Haus gesandt.
Um acht Uhr abends begann das
Fest. Das Haus Ta-kis ist, wie alle
Wohnhäuser reicher Chinesen, mit einer
großen, 1,7 bis 2 in hohen, weiß ange-
strichenen Mauer umgeben, und erst nach-
dem man einige schmale Gänge durch-
schritten hat, gelangt man in die eigent-
lichen Gemächer. Dieselben waren mit großen,
schmückt, welche trotz ihrer Menge nur
verbreiteten. An den goldverzierten Wänden hingen zahlreiche Sprüche
einheimischer Weisen mit schwarzer Tusche teils in chinesischen, teils in ta-
tarischen Schriftzeichen auf gelbe und weiße Papierrollen geschrieben.
Für das Abendessen hatte man keineswegs nach europäischem Vorbilde
eine große lange Tafel hergerichtet, sondern kleine viereckige, mit rotem Tuch
Chinese.
farbigen Laternen ge-
ein mattes, wohlthuendes Licht