1893 -
Altenburg
: Bonde
- Hrsg.: Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
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■auf sehnigen Pferden oder leichten Dromedaren die Schar der Beduinen,
welcher das Geleit der Karawanen obliegt. Ein weißbärtiger Scheich führt
sie an; immer tummeln sie sich, schießen hierhin und dorthin, lauschend,
lachend; die Federbüschel ihrer langen Lanzen, ihr weißer Burnus, ihr
schwarzes Haar flattert im Winde.
Jetzt steigt die Sonne empor, die Karawane kehrt sich dem auf-
steigenden Lichte entgegen, aber ihr Gebet ist stumm, der Mensch feiert
und ist still mit der feiernden stillen Natur. Nichts hört man, als die
heiseren Kehllaute des Kameltreibers oder das Getön der Glöckchen, mit
Reitkamele.
denen er sein Tier behängt. Und höher erhebt sich die Sonne, ihre
Elut strahlt herab und wieder von der Erde auf. Der Treiber geht
rüstig im Schatten des gleichmäßig fortschreitenden Kamels einher. Er
erzählt ihm von seinen eigenen Geschichten, Thaten und Thorheiten; er
berichtet ihm von seinen rühmlichen Vorfahren, von den Wegen, die sie
zurücklegten, und von deren Freundschaft mit seinen Vorfahren. Dann
lobt er es als sein bestes Kamel, bläst ihm Tabaksrauch in die weiten
Nasenflügel, verspricht ihm baldige Heirat, nennt es Bruder, küßt es,
singt ihm Liebes- und Kriegslieder vor. Bei ihren scharfen Takten preßt
das horchende Tier die Kinnladen zusammen, knirscht mit den Zähnen
und dreht den Kopf nach dem Sänger hin, dem es dankend die Hand
leckt. Zeigt sich jedoch das Tier einmal lässig oder störrisch, so fehlt es
dem feurigen Araber nicht an Zorn, Schimpfreden und Vorwürfen. Es
muß sich die Namen Hundssohn, Jude, Nazaräer, Ungläubiger gefallen
lassen und oft hören, daß es seinen Wohlthäter vergessen habe, der es