1893 -
Altenburg
: Bonde
- Hrsg.: Runkwitz, Karl
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
545
Heere des Kaisers. Zum Stellvertreter des Hauptmanns von Böhmen,
des Markgrafen Friedrich von Brandenburg, ernannt, belagerte er Saatz.
Nach mehreren vergeblichen Stürmen ließ er Tauben und andere Vögel
mit brennenden Schwefelfäden an den Schwänzen in die Stadt fliegen,
um sie durch Feuer zu verderben; aber von der Besatzung verscheucht,
flogen die Vögel in das Lager zurück und fetzten die Zelte und Stroh-
hütten in Brand. Die Feinde benutzten die Verwirrung, machten einen
Ausfall und schlugen die Belagerer gänzlich.
Es war ganz erklärlich, daß außer dem Kaiser und dem Kurfürsten
von Sachsen, Friedrich dem Streitbaren, den Hussiten kein Mann so
verhaßt war, als Heinrich von Plauen. Nicht zufrieden mit der wieder-
holten Verwüstung feiner in Böhmen gelegenen Besitzung Königswart,
beschlossen sie, Brand und Mord auch in sein Heimatland zu tragen.
70 000 Mann stark sielen sie 1430 in Sachsen ein. In mehreren
Haufen durchzogen sie brennend und sengend das unglückliche Land.
Nachdem sie Kolditz, Oschatz, Altenburg, Schmölln und Krimmitschan in
Asche gelegt hatten, drangen sie im Vogtlande ein. Vor ihnen zog der
bleiche Schrecken einher, hinter ihnen deckte Totenstille das Land. Drei-
fach war ihr furchtbares Werk, wenn sie in eine unbefestigte Stadt oder
in ein Dorf kamen. Alles, was männlich war, vom zitternden Greise
an bis zum stammelnden Knaben wurde getötet, Frauen aber und
Mädchen also gemißhandelt, daß der Tod als Wohlthat erschien. Dann
wurde der Ort rein ausgeplündert und zuletzt an den vier Enden Feuer
angelegt. Wieviele von den 1400 Dörfern, welche sie ans diesem Zuge
zerstörten, auf das Vogtland kamen, ist nicht genau anzugeben, aber
Thatsache ist, daß damals in unserem Lande viele Dörfer von dem Erd-
boden völlig verschwunden sind, und nur noch die Sage von der Stätte
erzählt, auf der sie einst gestanden haben. Mehr als 100 blühende
Städte ließen sie als Ruinen hinter sich zurück, im Vogtlande Reichen-
bach, Mylau, Auerbach, Hof, Ölsnitz und Plauen. Über letztere Stadt
gedachten sie das volle Maß ihres Zornes auszuschütten. Hier hielt
nämlich Herr Heinrich einen vornehmen Anführer der Hussiten, einen
Herrn von Sternberg, den er vor einigen Jahren gefangen genommen
hatte, in strenger Haft und gab ihn trotz des hohen Lösegeldes, das seine
Glaubens- und Kampfgenossen für ihn geboten hatten, nicht frei. Plauen
war für die damalige Zeit eine sehr starke Festung. In der gewissen
Hoffnung, hinter den breiten Wallgräben und hohen Mauern sicher zu
sein, hatten sich die Einwohner der benachbarten Orte und der Adel der
Umgegend mit ihren besten Schützen in die Stadt geflüchtet, für die
Hussiten ein Grund mehr, das Äußerste an ihre Eroberung zu wagen.
Die Angegriffenen wußten, daß der Tod nicht das Schrecklichste war,
was ihnen bevorstand; aber größer noch als der Mut der Verzweiflung
war die Gier nach Beute und die Wut der Rache. Die Stadt wurde
im Sturme genommen und ihre Verteidiger im entsetzlichen Gemetzel
niedergemacht, so daß das Blut an die Wände sprang. Noch war das
Schloß unbezwungen. Die tapfere Besatzung, geschützt durch seine Lage
und seine festen. Türme und Mauern, lachte der Angriffe der Hussiten.
Gewiß hätten diese, wie in Rochlitz und Altenburg, mit blutigen Köpfen