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1. Für Oberklassen - S. 584

1893 - Altenburg : Bonde
584 Christ, der auch denjenigen, welcher im Leben nichts anderes sieht, als die süße Gewohnheit des heiteren Daseins, ab und zu nötigt, eine Weile über Zeit und Ewigkeit nachzudenken. Hier hat sich die Natur eingemietet. Aus ihrem weiten Reiche holt der Dichter Blumen und Vogel hervor und mahnt nns durch sie: Sieh nur die Lilien an, Wer hat sie angethan Mit solcher Zier? Gott webt zu aller Zeit Ihnen das Feierkleid. Webt es auch dir. Nimm doch der Vöglein wahr, Die, aller Sorgen bar, So fröhlich sind. Gott nährt sie spät und früh; Bist du nicht mehr, als sie. Nicht Gottes Kind? Dort hat er dem Vaterlande einen Altar gebaut. Mit ganz Deutschland klagt und bittet er, als Barbarossa nach hundertjährigem Schlafe immer wieder sieht, daß die Raben noch um den Kyffhänser kreisen, und mit dem Zwerge traurig sich wieder am steinernen Tische niederläßt. Aber in den Kampf- und Siegesgedichten braust nns der Wieder- hall entgegen, welchen der Donner der Kanonen um Metz und bei Sedan und das Viktoria der Trompeten auch an den Köstritzer Bergen wach gerufen hat. Weil Sturm ein Mensch ist mit einem warmen Herzen, so ist ihm alles, was menschlich ist, nicht fremd. Mit eben so viel Zartheit wie Innigkeit führt er uns in alle rein menschlichen Lagen und Verhältnisse ein. Wie weiß er doch unser Mitgefühl zu wecken für „die alte Jungfer", welche nach Sonnenuntergang den blühenden Rosenstock auf das Grab des längst Heimgegangenen Bräuti- gams trügt und nach der Rückkehr erst mit wunderbar leuchtenden Augen und dann mit heißen Thränen vor seinem verblichen Bilde steht! Wir empfinden die Freude, welche „die junge Mutter" beseligt, als sie dem meinenden Liebling Lied um Lied in immer süßeren Weisen vorsingt, bis der Schlummer seine Zauberkreise um das Bettchen zieht. Aus ganzem Herzen sprechen wir Amen zu der „Bitte" des Gatten, welcher heute mit der blühenden Mutter sich freut über das höchste Glück, das ihnen der Herr in dem erstgeborenen Kinde beschieden hat, aber nach wenigen Tagen ihr in das Grab nachruft: O bitte Gott um Segen für uns beide, Das; ich getrost voran dem Knaben schreite Und er durch mich den Weg zur Mutter sinde. Mehr, als der Lorbeerkranz die Stirne der alten Dichter geziert hat, schmückt Sturm die Frömmigkeit und die Demut. Jene klingt durch alle seine Lieder hindurch und läßt ihn in der Natur den Spiegel der Güte Gottes, in der Geschichte die Gerechtigkeit des Weltenrichters, in der Führung des Menschen die erziehende Gnade des Vaters erkennen. Diese erinnert ihn an die Quelle und an das Maß seiner Kraft und drängt ihn, obwohl „der eigenen Würde sich bewußt", doch zu dem Selbstbekenntnisse: Ich bin die Harfe, die erbebt, wenn Gott sie tönen heißt. Und was in meinem Liede lebt, ist Geist von seinem Geist.
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