1903 -
Breslau
: Hirt
- Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Geschichte. §§ 22—23.
die „schönste Königin", voll Anmut. Herzensgute und Frömmigkeit. Mit Be-
wunderung und Freude schaute das Volk auf dies erlauchte Paar, das ein echt
deutsch-christliches Familienleben führte.
*2. Preußens Erniedrigung. (Auch im Lesebuch nachlesen.) Napoleon
besiegte 1805 Russen und Österreicher in der Drei-Kaiserschlacht bei Austerlitz
(Mähren). Er verband sich 1806 mit 16 deutschen Fürsten zum Rheinbund und
zertrümmerte so das alte Deutsche Reich. Friedrich Wilhelm, der den Frieden
liebte, suchte lange den Krieg mit Napoleon zu vermeiden. Aber dieser wollte
auch Preußen demütigen, darum reizte er unsern König durch schmachvolle Be-
leidigungen endlich zur Kriegserklärung. Am 14. Oktober 1806 trafen die fran-
zösischen Truppen bei Jena und Auerstädt auf die preußischen. Die Preußen
kämpften zwar tapfer, aber ihre Generale waren zum Teil unfähige Leute, und
ihr Oberbefehlshaber, der Herzog von Braunschweig, wurde schon bei Beginn des
Kampfes tödlich verwundet. Das preußische Heer wurde völlig geschlagen. Schon
nach 14 Tagen war Napoleon in Berlin. Die preußische Königsfamilie mußte
nach Königsberg fliehen. — In unwürdigem Kleinmuts übergaben viele Befehls-
haber die stärksten Festungen.
*3. Treue Preußen. —• Unglücklicher Friede. Aber Blücher schlug
sich bis Lübeck durch. Graudenz verteidigte Courbiere (kurbiähr), der den
Franzosen, die ihm sagen ließen, es gäbe keinen König von Preußen mehr,
antwortete: „Gut, so gibt es doch noch einen König von Graudenz!" Auch
Kolberg widerstand unter Gneisenau, Schill und Nettelbeck, desgleichen Pillau,
Kosel und Glatz. — Der Rest der preußischen Armee schlug, mit den Russen
vereinigt, noch zwei Schlachten gegen die Franzosen, bei Preußisch-Eylau und
Friedland, unterlag aber in der letzten vollständig, und so mußte Friedrich
Wilhelm in den Frieden zu Tilsit willigen, in welchem er alles Land west-
wärts der Elbe abzutreten und 120 Millionen Franken Kriegskosten zu zahlen
hatte. Auch durfte er nur ein Heer von nicht mehr als 42000 Mann halten.
4. Preußens Wiedergeburt. Friedrich Wilhelm Iii. sorgte mit dem
Freiherrn vom Stein, den er an die Spitze der Verwaltung berufen, durch
größte Sparsamkeit und Verkauf königlicher Güter für Bezahlung der Kriegs-
schuld und damit für Befreiung von der Einquartierungslast der Franzosen.
Das Preußenvolk hatte seinen ernsten religiösen Sinn verloren. „Weil wir von
Gott abgefallen sind, darum sind wir gesunken," so schrieb damals die Königin
Luise. Das Unglück trieb das Volk wieder zu Gott. Bei Bürgern und Bauern
erweckte der König Teilnahme am Ergehen des Staates, indem er ihnen größere
Freiheiten gewährte. So hob. er die Erbuntertänigkeit der Bauern auf^ so daß
dieselben freie Besitzer ihrer Äcker wurden. Den Bürgern gab er die Städte-
ordnung, durch welche sie Anteil an der Verwaltung der Stadt erhielten.
Auf Scharnhorsts Rat wurde durch Einführung der allgemeinen Wehr-
pflicht das ganze Volk kriegstüchtig gemacht. Bald regte sich allerwärts
Vaterlandsliebe und Franzosenhaß.
5. Napoleons Macht. Er besiegte Österreich 1809 nochmals und erhielt
eine österreichische Prinzessin zur Gemahlin. — Auch einzelne Volkserhebungen
vermochte er zu bezwingen, so die der Tiroler unter Andreas Hofer (Gedicht
von Mosen) und die des Majors Schill in Stralsund. Napoleon vernichtete alte
Staaten und verleibte sie Frankreich ein oder gab sie seinen Verwandten, so
seinem Bruder Jerome das Königreich Westfalen.
*6. Königin Luise, a) Vor der Unglückszeit. (Siehe Abschnitt 1.)
Am 24. Dezember 1793 feierte das hohe Paar sein Hochzeitsfest in Berlin. Die
Berliner wollten ihre Stadt festlich beleuchten. Die hohe Braut lehnte dies
aber ab und bat, das zu diesem Feste bestimmte Geld an die Armen der Stadt
als Weihnachtsgabe zu verteilen. (Andere Beweise von der Güte der Königin
lies im Lesebuche.) Die hohen Gatten liebten sich innig. Sie redeten sich mit