1908 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Paust, J. G., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Steinweller, F.
- Hrsg.: Nowack, Hugo
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
B. Ghemie und Mineralogie.
Luft und Wasser.
§ 71. Die Luft, die wir atmen. Die Luft umgibt unsre Erde als
Dunstkreis oder Atmosphäre. Sie ist aber kein einfacher Körper, sondern
ein Gemenge von 20,77 Raumteilen Sauerstoff, 78,35 Raumteilen Stick-
stoff, 0,04 Teilen Kohlensäure und 0,84 Teilen Wasserdampf.
Der Sauerstoff, a) Darstellung: In ein Probiergläschen schütte man ein wenig
chlorsaures Kalium <Kaliumchlorat), ein Saft, welches vorher mit trockenem Sande
vermischt worden ist, verschließe das Glas mit einem Pfropfen, durch welchen eine ge-
bogene Glasröhre geht, befestige es an einem Halter und leite das Ende der Röhre in
em danebenstehendes Schälchen mit Wasser. Dann fülle man ein Glas mit Wasser, halte
die Öffnung zu und stelle es umgekehrt ins Wasser über die Röhre. iwarum fließt das
Wasser nicht aus?j Dann erhitze man das Salz durch eine Weingeistlampe. Es werden
bald Blasen aus dem Rohre in das Wasserglas steigen und das Wasser aus demselben
verdrängen. Wenn das Glas beinahe mit Gas gefüllt ist, verkorke man es unter Wasser,
setze es beiseite und fange das Gas in einem 2. und 3. Glase in derselben Weise auf.
Erklärung: Das Kaliumchlorat ist ein sauerstoffreiches Salz. Durch
die Wärme wird der Sauerstoff aus seiner Verbindung getrieben.
b) Versuche: Ein glimmender Holzspan, in eine mit Sauerstoff gefüllte Flasche ge-
taucht, brennt hell und lebhaft auf. Schwefel verbrennt darin mit schön leuchtender
Flamme. Ein dünner, spiralig gewundener Eisendraht, an dessen Ende ein Stückchen
glimmender Feuerschwamm befestigt ist, verbrennt mit Funkensprühen. Der Sauerstoff ist
eine Gasart, die das Brennen befördert. Er macht ungefähr 7s der atmosphärischen Luft
aus; er sindet sich in allen Naturkörpern; ohne ihn könnte kein lebendes Wesen bestehen
^Lebenslust). Er veranlaßt aber auch das Sauerwerden von Flüssigkeiten und Speisen.
Welche Vorkehrungen trifft mau deshalb, um den Sauerstoff von solchen Körpern abzu-
halten, die nicht sauer werden sollen?
Der Stickstoff. An das Ende eines gebogenen Drahtes bringt man etwas Watte,
die mit Alkohol befeuchtet ist, stellt denselben in ein Schälchen mit Wasser, so daß die
Watte hervorragt, zündet dieselbe an und stülpt eine leere Flasche darüber. Nach kurzer
Zeit erlischt die Flamme, und das Wasser steigt in der Flasche in die Höhe. Nun ent-
fernt man den Draht, verschließt die Öffnung der Flasche unter Wasser mit einem Kork
und schüttelt die Flasche. Öffnet man die Flasche und hält einen brennenden Holzspan
in dieselbe, so erlischt er.
Erklärung: In der Flasche ist atmosphärische Luft abgesperrt. Durch das Verbrennen
des Weingeistes wird der Luft der Sauerstoff entzogen, Stickstoff bleibt zurück. An die
Stelle des verbrauchten Sauerstoffes tritt Wasser; es bildet sich aber durch das Verbrennen
auch etwas Kohlensäure. Diese wird durch das Umschütteln vom Wasser aufgenommen,
so daß zuletzt freier Stickstoff in der Flasche zurückbleibt. Der Stickstoff ist eine Luftart,
welche das Brennen nicht unterhalten kann.
Die Kohlensäure. In eine mit Sauerstoff gefüllte Flasche, in welcher unten noch
etwas Wasser geblieben ist, halte man einen glimmenden Holzspan; er brennt anfangs mit
lebhafter Flamme, allmählich verlischt er. Der Sauerstoff wird nämlich verbraucht, und es
entsteht im Glase eine Luftart, die das Brennen nicht unterhalten kann, Kohlensäure.
Die Flasche wird nun verkorkt und umgeschüttelt; dann öffnet man wieder und bringt
einen brennenden Span hinein; er brennt weiter. Die Kohlensäure ist vom Wasser ver-
schluckt worden, und die Flasche hat sich wieder mit atmosphärischer Lnft gefüllt.
Kohlensäure entsteht überall da, wo Menschen und Tiere atmen, wo Pflanzenstosfe
verbrennen oder verfaulen, wo Flüssigkeiten gären (Keller!. Da sie schwerer ist als atmo-
sphärische Luft, lagert sie stets am Boden. In der Nähe feuerspeiender Berge strömt sie
aus der Erde ihundsgrotte bei Neapel — Todestal auf Java).