1908 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Paust, J. G., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Steinweller, F.
- Hrsg.: Nowack, Hugo
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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§ 6. Geschichte der Griechen.
8 6. Geschichte -er Griechen.
1. Lykurg. Die beiden wichtigsten Stämme des Griechenvolkes waren
der dorische und der ionische Stamm. Der erstere war aus dem nördlichen
Griechenland nach dem Peloponnes gezogen (dorische Wanderung) und hatte
sich den größeren Teil desselben unterworfen. Von größter Bedeutung wurde
Sparta, nachdem Lykurg ihm Gesetze gegeben hatte (um 880 v. Chr.). Dieser
hatte auf weiten Reisen viele Länder und ihre Gesetzgebung kennen gelernt. —
Nach Lykurgs Verfassung erhielten nur die Dorier Bürgerrechte. Sie hießen
Spartiaten.
Die früheren Bewohner Lakoniens, die sich jenen freiwillig unterworfen hatten,
hießen Periöken. waren persönlich frei, aber mußten von ihren kleinen Besitzungen
Zins an die Spartiaten geben. Die Heloten waren Sklaven, die der Willkür ihrer
Herren preisgegeben waren. An der Spitze des Staates standen 2 Könige mit be-
schränkter Macht; ihre Berater und Helfer waren 28 über 60 Jahre alte Männer, der
Rat der Alten. Ein Gesetz konnte nur zu stande kommen, >venn es die Volksver-
sammlung, zu „der jeder Spartiate von seinem 3o. Lebensjahre an gehörte, ange-
nommen hatte, Uber die Sitten des Volkes wie der Könige wachten die Ephoren,
d. h. Aufseher.
Der Landbesitz wurde von Lykurg in gleiche Teile geteilt und galt als
Staatseigentum, das den Bürgern nur geliehen war. Die Lebensweise der-
selben war genau vorgeschrieben und überaus einfach. Je 15 Männer bildeten
eine Gemeinschaft, die auch die Mahlzeiten gemeinsam genossen. Ein Haupt-
bestandteil derselben war die schwarze Suppe, aus Schweinefleisch, Blut und
Essig bestehend. Jeder Spartiate .war Krieger und mußte sich täglich im
Waffendienste üben. — Die Erziehung der Kinder war Staatssache. Vom
7. Jahre ab kamen dieselben in öffentliche Anstalten, in denen ihre Körper-
kräfte geübt und sie an Ertragen von Hitze, Kälte, Hunger und körperliche
Schmerzen gewöhnt wurden. Den Alten waren sie Gehorsam und Ehrerbietung
schuldig. Ihre Antworten mußten kurz und treffend sein (lakonisch). — So
wuchs ein Geschlecht heran: rauh und kräftig, das im Rate klug und in der
Schlacht tapfer war. — Nachdem Lykurg seine Gesetzgebung vollendet hatte,
ließ er seine Mitbürger schwören, daß sie an der neuen Ordnung bis zu
seiner Rückkehr festhalten würden. Er reiste darauf ab und starb in der
Fremde. Vorher hatte er besohlen, seine Asche ins Meer zu streuen.
2. Solon war der Gesetzgeber Athens. Hier lastete ein schwerer Druck
auf den niedern Volksklassen, der durch die „mit Blut geschriebenen" Gesetze
Drakos noch vermehrt wurde. Da gab der weise Solon dem Staate eine
neue Verfassung (590 v. Chr.).
Er erleichterte das Volk zuerst durch mildere Schuldgesetze; dann teilte er es nach dem
Vermögen in 4 Klassen. Nach der Zugehörigkeit zu einer derselben richteten sich die
Rechte, aber auch die Pflichten der Bürger. An der Spitze des Staates standen 9 jähr-
lich aus der 1. Klasse gewählte Archonten. Aus den 3 oberen Klassen wurden jährlich
400 Bürger gewählt, die den Rat bildeten und alle Staatsangelegenheiten leiteten. Die
Volksversammlung, der alle über 20 Jahre alten Bürger angehörten, wählte alle
Beamte, und von ihrer Zustimmung hing die Annahme der Gesetze ab. Wächter über
Religion, Gesetz und Sitte war der Areopag. Er bestand aus gewesenen Archonten.
Wie Lykurg gab auch Solon Gesetze über die Jugenderziehung. Diese
hatte wie in Sparta Abhärtung und Kräftigung des Körpers zum Ziele, er-
strebte aber auch eine umfassende Geistesbildung; so wurde z. B. im jungen
Athener frühe der Sinn für das Schöne geweckt. — Solon reiste nach Voll-
endung seiner Gesetzgebung nach Ägypten und Kleinasien (s. § 4, 2).