1904 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Nowack, Hugo
- Hrsg.: Steinweller, F., Sieber, Hermann, Paust, J. G., Rohn, R. A.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Simultanschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
§ 32. Friedrich Wilhelm 111.
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zwar tapfer, gerieten aber bald in Verwirrung. Die kriegsgeübten Frau-
zosen errangen den Sieg. Auch das Hohenlohesche Heer ward au dem-
selben Tage bei Jena geschlagen. Die Fliehenden zerstreuten sich bald
nach allen Richtungen, ohne noch einmal standzuhalten. Schon nach 14 Ta-
gen hielt Napoleon seinen Einzug in Berlin. Die preußische Königsfamilie
aber befand sich auf der Flucht nach dem fernen Königsberg. — Noch
schlimmer als die Niederlagen selbst waren deren Folgen. In unwürdigem
Kleinmute übergaben unfähige Befehlshaber die stärksten Festungen, so
Magdeburg, Stettin u. a. Blücher aber schlug sich mit 20000 Mann nach
Lübeck durch und ergab sich erst, als er weder Pulver noch Brot mehr
hatte. Auch an anderen Stellen ward die altpreußische Waffenehre gerettet.
So widerstand Kolberg unter Gneisenau, Schill und dem alten Nettel-
beck der französischen Belagerung. Auch Grandenz blieb dem König er-
halten durch Courbiöre (Kurbiähr). Ihn forderten die Franzosen zur Über-
gabe der Festung auf, indem sie sagten: „Es gibt keinen König von Preußen
mehr." Er antwortete ihnen: „Gut, so gibt es doch noch einen König vougrau-
denz!" Die Festungen Pillau, Koset und Glatz vermochten die Franzosen auch
nicht zu überwinden. — Die Reste der preußischen Armee vereinigten sich hinter
der Weichsel mit einem russischen Heere. Bei Eylau (südlich von Königsberg)
kam es zu einer neuen Schlacht im Februar 1807, die sowohl den Ver-
bündeten als den Franzosen ungeheure Opfer kostete und unentschieden
blieb. Aber im Juni siegte Napoleon in der Schlacht bei Fried land a. d.
Alle nach 19 ständigem Kampfe so entscheidend, daß sich die Preußen bis nach
Tilsit und Memel zurückziehen mußten. Hierher war schon früher die Königin
Luise mit ihren Kindern geflohen. Sorge und Anstrengungen hatten sie
aufs Krankenlager geworfen, und bei heftigem Schneetreiben und großer
Kälte mußte die so schwer Heimgesuchte ihre Reise vollsühren. Sie sagte:
„Ich will lieber in Gottes Hand fallen als in die Hände dieser Menschen."
— Der Kaiser Alexander von Rußland schloß nun in Tilsit mit Na-
poleon Frieden, und Friedrich Wilhelm Iii. mußte in harte Bedingungen
willigen. Er verlor fast alle ehemals polnischen Landesteile und alles Land
westwärts der Elbe, mußte 120 Millionen Mark Kriegskosten zahlen, die
Festungen ausliefern, alle Handelsverbindungen mit England abbrechen
(Kontinentalsperre) und durfte nur 42000 Mann Soldaten halten. Ver-
geblich waren die Bemühungen der Königin Luise, mildere Bedingungen zu
erlangen. Napoleon konnte sich zwar ihrer hoheitvollen Schönheit und Würde
nicht verschließen, doch behandelte er sie bei der Zusammenkunft verletzend
und anmaßend. — Preußen war von seiner Großmachtstellung herabgedrüngt.
5. Preußens Wiedergeburt. In dieser Zeit der größten Not zeigte
sich König Friedrich Wilhelm Iii. als ein wahrhaft großer Mann, und
seine edle Gemahlin Luise stand ihm anspornend und ratend zur Seite.
Au die Spitze der ganzen Staatsverwaltung ward der Freiherr vom
Stein berufen, ein durch und durch deutscher Mann, ohne alle Menschen-
furcht. Durch ihn ließ der König die größte Sparsamkeit in der Staats-
verwaltung einführen und viele königliche Domänen verkaufen. Der Hof-