1900 -
Gießen
: Roth
- Hrsg.: Müller, P., Völker, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Flechten. Haarmoos.
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kleine Stücke zerbrochen und mit Milch übergössen. Der Genuß dieser Milch ist aber
nicht nur den Fliegen, sondern auch für andere Tiere und Menschen tödlich. — Der
Hausschwamm überzieht mit seinem erst weißen, dann bräunlichen Lager das Holz-
werk der Gebäude und zerstört es. Der vorzüglich an Buchen wachsende Zunder-
schwamm wurde früher häufig zur Bereitung des Zunders benutzt.
Die Bauchpilzc, zu denen der aus trockenen Wiesen^wachseude Bovist gehört, bil-
den die Sporen im Inneren ihres kugeligen Körpers. Später öffnet sich derselbe und
entleert die Sporen als äußerst seinen bräunlichen Staub.
49. Pie Flechten
Fruchtdolde der
Renntierflechte.
sind Schlauchpilze, welche auf gewissen Algen leben, die ihnen als Nährpslanze dienen.
Diese Nähralge wächst überall an Felsen und Mauern, Bäumen und Bretterwänden,
wo sie genügend Feuchtig-
keit findet. Bald erscheinen
auch die Pilze, welche aus
ihr wuchern. Aus diese
Weise erlangen die Flech-
ten eine große Wichtigkeit
im Haushalt der Natur;
denn sie bilden das erste
pflanzliche Leben auf un-
fruchtbarem Gestein. Sie
befördern die Verwitte-
rung desselben und machen
die Ansiedlung von Moo-
sen und höheren Pflanzen
möglich. Viele sind reich an Flechteustärke und werden deshalb als Nahruugs- und
Arzneimittel geschätzt. Aus anderen gewinnt man Farbstoffe. Innerhalb der Polarkreise
sind sie nebst den Moosen die vorherrschenden Pflanzen. Jbr Lager ist entweder strauch-
artig verästelt oder laubartig ausgebreitet oder krustenartig ausgewachsen.
Eine allbekannte heimische Strauchflechte ist die Bartflechte. Sie bildet besonders an Nadel-
bäumen, namentlich der Lärche, lange, hängende weitzgraue Fäden. Ihre Fruchtbehälter sind runde Schild-
chen. Die Renntierslechte hat runde, ausrechte Äste. Sie bildet die vorzügliche Nahrung des Renn-
tiers. Auch in unseren Kiefernwäldern kommt sie häufig vor. Die isländische Flechte, auch isländisches
Moos genannt, hat blattartige Äste. Sie enthält Flechtenstärke und einen bitteren Stoff und dient als
Arzneimittel. In Wasser eingeweicht, getrocknet und dann gemahlen wird sie als Zusatz zum Brotmehl
verwendet. Die Orseilleflechte, an Felsen des Mittelmeers wachsend, liefert einen roten und die
Lackmusslechte einen blauen Farbstoff. — Zu den Laubflechten gehört die vornehmlich an Linden wach-
sende olivensarbige Schlüsselslechte.
b Frucht einer Flechte,
o dieselbe vergrößert u.
senkrecht durchschnitten.
Schlauch mit Sporen,
daneben Sastsäden i.400/i)
e Sporen.
50. Aas Kaarmoos
heißt auch Widerthon, weil es früher von albernen Leuteil gegen das Behexen oder
„Anthun" gebraucht wurde. Es wächst überall in schattigen Laubwäldern und bildet
dort ausgedehnte Rasen. Das gesellige Wachstum ist dem zarten Ding durchaus
nötig. Da schützt und stützt eins das andere, und gemeinsam trotzen sie allen Gefahren.
Das einzelne Pflänzchen ist oft kaum 2 cm hoch. Nur an feuchten Stellen
wird es höher. Man bemerkt an ihm ein südliches Stämmchen, welches dicht mit
grünen Blättchen besetzt ist. Verzweigungen hat es nicht. Die zahlreichen Wurzeln
sind haarfein. Sie entwickeln sich beim Weiterwachsen des Stengels imuier weiter
oben, während der untere Stengelteil abstirbt.
Die Blätter sind ungestielt und am Rand fein gesägt. In ihrem inneren
Bau sind sie ganz verschieden von den Blättern der Blütenpflanzen. Sie bestehen
nämlich nur aus einem flachen Gewebe von Zellen. Die Oberhaut fehlt ihnen.
Deshalb geht bei ihnen die Ausdünstung viel rascher vor sich. Bei anhaltender
Dürre vertrocknen sie daher leicht. Aber ebenso schnell saugen sie Feuchtigkeit ein
und beleben sich wieder.
Moosblütcn. An der Spitze der Pflänzchen entwickeln sich die Blüten. Manche
tragen nämlich oben eine Rosette von rötlich gefärbten Blättern. Zwischen diesen
Blättern bemerkt man durch das Vergrößerungsglas wasserhelle Schläuche. Diese
Schläuche vertreten die Stelle der Staubgesäße. In ihnen bilden sich fadenförmige