1900 -
Gießen
: Roth
- Hrsg.: Müller, P., Völker, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Deutschlands Erniedrigung. 91
Bonaparte überließ die Behauptung Ägyptens dem General Kleber und kehrte
nach Frankreich zurück. Im Verein mit anderen Ehrgeizigen stürzte er die mrßlrebrge
Direktorialregierung und sehte drei Konsuln an deren Stelle, von denen er selber
der erste war. Als Konsul zog Bonaparte über den großen St. Bernhard und erschien
unvermutet in Italien (1800). Durch den glänzenden Sieg bei Marengo über die
Österreicher hatte Frankreich sein früheres Vbergewicht wiedererlangt. Als nun auch
Moreau, der nach Süddeutschland vorgedrungen war, bei Hohenlinden siegte, waren
Kaiser und Reich zum Frieden genötigt.
Der Friede von Lüueville (1801). Durch diesen Frieden wurde,, wie das schon
im Frieden von Campo Formio geschehen war, das ganze linke Rheinufer an
Frankreich abgetreten. Für die erlittenen Verluste entschädigte mau einen Teil der
deutschen Fürsten auf Kosten der übrigen. Es geschah dies in der Weise, daß man die
weltliche Gewalt der geistlichen Fürsten aufhob und vielen kleineren weltlichen Fürsten
ihre Landeshoheit entzog. Von etwa 300 selbständigen Staaten blieben etwa 30 be-
stehen. Die Ausführung dieses schwierigen Geschäfts wurde einem Ausschuß übertragen,
der damit 1803, nach langen Verhandlungen, endlich zu stände kam. Auch England
schloß mit Frankreich Frieden, nachdem dieses seine Truppen aus Ägypten zurückgezogen
hatte. Der Krieg zwischen diesen beiden Staaten brach jedoch nach kurzer Zeit wieder
aus, da England sich weigerte, Malta zu räumen. Ein Friedensschluß zwischen Napoleon
und England kam nun nicht mehr zu stände.
Napoleon wird Kaiser. Seit Einführung der Konsularverfassung neigte in
Frankreich sich alles wieder der Monarchie zu. 1802 wurde Napoleon zum lebens-
länglichen Konsul ernannt und 1804 durch den Papst in der Kirche Notre daine zu
Paris zum „Kaiser der Franzosen" gesalbt. 1805 nahm er den Titel eines Königs
von Italien an. So hatte dieser außerordentliche Mann, vom Glück begünstigt,
sich vom Artillerieofsizier Stufe um Stufe zum höchsten Gipfel äußeren Glückes
emporgeschwungen. Als Ziel schwebte ihm vor, Frankreich an die Spitze eines
europäischen Staatenvereins zu stellen und sich selbst zum Gebieter desselben zu machen.
Hätte der Unersättliche Maß zu halten verstanden und sich nicht am Heiligsten der
Völker, ihrer Freiheit und Unabhängigkeit, versündigt, so wäre es ihm vielleicht möglich
geworden, sich auf der erreichten Höhe zu behaupten. Bei seiner rastlosen und viel-
seitigen Thätigkeit hatte er, was nicht verschwiegen werden darf, in der Gesetzgebung
und auf dem Gebiete des Gewerbewesens manches Nützliche und Wohlthätige ins Leben
gerufen. Aber nur dem Antriebe seines unersättlichen Ehrgeizes folgend, rief er Kräfte
wach, die er nicht kannte oder zu gering geachtet hatte: die Verzweiflung geknechteter
Völker, deren Vaterlandsliebe und Opfermut. Das wurde ihm zum Verderben!
39. Deutschlands Erniedrigung.
Krieg mit Österreich und Rußland. England, das schon seit 1803 mit
Frankreich wieder im Kriegszustand sich befand, hatte eine neue Vereinigung zwischen
Österreich, Rußland und Schweden gegen Frankreich zu stände gebracht. Kaum hatte
Napoleon davon Künde erlangt, als er mit Blitzesschnelle in Deutschland vordrang.
Im Oktober 1805 nahm er bei Ulm ein österreichisches Heer unter Mack gefangen;
im November besetzte er Wien, und im Dezember schlug er in der „Kaiserschlacht"
bei Austerlitz die vereinigten Österreicher und Russen unter Kutusow. Dies führte
zum Frieden von Preßburg, in dem Österreich Venedig an Frankreich, Tirol und
Vorarlberg an Bayern und die österreichischen Länder in Südwestdeutschland an Württem-
berg und Baden abtreten mußte. Nun begann Napoleon seine Herrschaft immer
weiter auszudehnen. Er verschenkte Kronen an seine Verwandten und Günstlinge, um
damit, wie er glaubte, seine Macht zu befestigen. Seinen älteren Bruder Joseph
machte er zum König von Neapel, den jüngeren, Ludwig, zum König vou Holland
und seinen Schwager Murat, den Sohn eines französischen Gastwirts, zum ''Herzog
von Kleve und Berg.
Der Rheinbund, Auflösung des Reichs. Mit 16 deutschen Fürsten gründete
Napoleon hierauf den sogenannten Rheinbund und erklärte sich zum „Beschützer" des-
selben. Dem Reichstag, der in Regensburg versammelt war, machte er bekannt, daher
ein deutsches Reich nicht mehr anerkenne. 'Bayern und Württemberg wurden zu König-
reichen, Baden und Hessen zu Großherzogtümern erhoben. Kaiser Franz Ii. legte
deshalb 1806 die deutsche Krone nieder und nannte sich Kaiser vou Österreich.