1909 -
Stuttgart
: Franckh
- Autor: Fischer, R., Baß, J., Seytter, Wilhelm, Manzek, O.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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gebirge, der Gneis. Durch die weitere Abkühlung und die dadurch hervor-
gerufene Zusammenziehung tram es zu vielfachen Schrumpfungen und Brüchen
dieses Mantels, mächtige Schollen schoben sich übereinander, ungeheure Gebirge
bildend. Dazu durchbrach der feuerflüssige Rern an vielen Stellen die Gneis-
decke zu einer Zeit, als diese schon überdeckt war von anderen Gebirgsschichten,
welche jene feuerflüssigen Massen nicht mehr durchbrechen konnten. Oie empor-
gepreßte Masse erstarrte unter anderen Verhältnissen als der Gneis, so bildete
sich der Granit. Oie Hauptbestandteile beider Gesteine sind Ouarz, Feldspat
und Glimmer, doch zeigen diese beim Gneis eine mehr gleichartige Lagerung
namentlich der Glimmerplättchen, so daß dieser ein schieferiges Aussehen be-
kommt, während beim Granit diese drei Bestandteile in wirrem, regellosem
Gemengsel durcheinander liegen und dem Gestein ein völlig gleichmäßiges
Gefüge geben (Massengesteine).
Eine weitere Folge der Bildung einer starren Erdrinde war die all-
mähliche Obkühlung der Otmosphäre. Vie Bestandteile des Wassers
konnten sich verdichten und als heißer Regen niedergehen. Freilich werden
diese ersten Regengüsse die Erdoberfläche kaum erreicht haben, sondern schon
in deren Nähe von der ihnen entgegenströmenden Hitze in Vamps verwandelt
worden sein. Ober mit jeder Wiederholung eines derartigen Vorgangs wurde
Wärme verbraucht, der Regen gelangte endlich zur Erde, füllte Senkungen und
Täler auf ihr aus, es bildete sich ein Meer heißen Wassers — das Urmeer.
Das Wasser dieses Meeres muß allein schon wegen seiner hohen Temperatur-
stark auflösend aus die vorhandenen Gesteine gewirkt haben,- indem es auch
in deren Ritzen und Spalten eindrang, verursachte es ihre Zertrümmerung
und Lockerung und schwemmte die abgelösten Massen mit sich fort, um sie an
anderen Plätzen wiederum zu mächtigen Lagern anzuhäufen. Feuer und Wasser
sind also die hauptsächlichsten Kräfte, die die Entstehung und Bildung der
Gebirge bewirkten.
Oußer Granit und Gneis gehören zu den urzeitlichen Gesteinen der Ur-
schiefer, der als die erste Wasserablagerung angesehen wird, ferner Por-
phyr, Grünstein, Glimmerschiefer und Einlagerungen von Urkalk, Graphit und
Dolomit.
Die Urgesteine bilden den Grundstock großer Gebirge und lagern teilweise
in einer Mächtigkeit bis zu 30 000 m. Sie sind sehr reich an Erzen (Gold, Silber,
Platin, Eisen-, Blei-, Zink- und Rupfererzen). Ruch findet man in ihnen fast
sämtliche Edel- und Halbedelsteine. Die Urgesteine sind ohne tierische Ein-
lagerungen.
Das Urgebirge tritt in Deutschland im harz, Thüringer Wald, Odenwald
und Schwarzwald, im Bayrischen Wald und im Böhmerwald zutage, ferner im
Erzgebirge, das vorzugsweise aus Gneis besteht, und im Westerwald.
Der Tharakter der Urgebirgslandschaften ist verschieden, je nachdem sie
aus Gneis oder aus Granit gebildet sind. Der leicht verwitterbare Gneis
bildet weiche, runde Ruppen mit sanften Gehängen, die teils mit saftigen
Matten, teils mit üppigem Tannenwald bedeckt sind. Der schwer verwitterbare
Granit aber verleiht, wo er zutage tritt, der Gegend durch schroffe, kühne Fels-
massen mit wilden Zacken und jähen Obstürzen wunderbare landschaftliche Reize.