1876 -
Berlin
: Wohlgemuth
- Autor: Wirth, Gustav, Theel, F. W.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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217. Die drei Linden.
Auf dem Kirchhof des Hospitals zum heiligen Geist6
in Berlin haben vor vielen Jahren, wie das bejahrte Leute
noch immer von ihren Eltern gehört haben, drei gewaltig
große Linden gestanden, die mit ihren Aesten den ganzen
Raum desselben weithin überdeckten. Das Wunderbarste
an diesen Bäumen war, daß sie mit den Kronen in die Erde
gepflanzt waren und dennoch ein so herrliches Wachs thun1
erreicht hatten; aber dieses Wunder hatte auch die göttliche
igen vom Tode zu es'
Allmacht gewirkt, um einen Unschuldigen _____________
retten. Vor vielen vielen Jahren lebten nämlich in Berlin
drei Brüder, die mit der herzlichsten Liebe einander zuge-
than waren und mit Leib und Leben für einander einstanden-
So lebten sie glücklich und zufrieden, als dies Glück plötz'
lieh durch einen Vorfall gestört wurde, den wohl keiner hätte
ahnen können. Denn so unbescholtenen Wandels auch an6
drei bisher gewesen waren, wurde doch der eine derselbe11
des Meuchelmordes angeklagt und sollte, obgleich er noch
kein Geständnis, gethan, da alle Umstände die ihm zur Lahm-
gelegte That wahrscheinlich machten, den Tod erleiden-
Noch saß er im Gefängnisse, als eines Tages seine beide11
Brüder vor dem Richter erschienen und jeder derselben sich
des begangenen Mordes schuldig erklärte. Kaum hatte die»
der zum Tode Verurtheilte vernommen, als auch er, indem
er erkannte, daß seine Brüder ihn nur retten-wollten, dei
That geständig wurde, und so statt eines Thäters drei voj
Gericht standen, von denen jeder mit gleichem Eifer behaus'
tete, daß er allein jenen Mord begangen. Da wagte d#
Richter nicht, den Urtheilsspruch an dem ersten zu von'
strecken, sondern legte den Fall zuvor noch einmal deh
Kurfürsten vor, welcher verordnete, daß hier ein Gottesurthel
entscheiden solle. Er befahl daher, ein jeder der drei Brüde
solle eine gesunde Linde mit der Krone in das Erdreic
pflanzen, so daß die Wurzeln nach oben stünden; wess61
Baum dann vertrocknen würde, den hätte Gott dadurch am
den Thäter bezeichnet. Dies Urtheil wurde auch sogleu.
beim Anbruch des Frühlings vollzogen, und siehe da! 1111
wenige Wochen vergingen, und alle drei Bäume, die nia.
auf dem Kirchhofe des Hospitals zum heiligen Geist gepfla112
hatte, bekamen frische Triebe und wuchsen bald zu kräftig6jt
Bäumen heran. So war denn die Unschuld der drei Brüde
erwiesen, und die Bäume haben noch lange in üppiger Kr_a^
an der alten Stelle gestanden, bis sie endlich verdorrt s111
A. Kuba-
und andern Platz gemacht haben