1876 -
Berlin
: Wohlgemuth
- Autor: Wirth, Gustav, Theel, F. W.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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vor dem Untersinken, denn du könntest in diesem flüssigen Metals
teiche schwimmen, ohne es gelernt zu haben; aber verschlucke
dürftest du nicht ein Tröpfchen aus dem Teiche, es wäre sonst ui»
dein Leben geschehen, denn jeder Tropfen ist Gift.
Zur Wäsche kann man das Quecksilber freilich nicht gebrau-
eben; denn es macht nicht naß, aber dafür leistet es eine Meng
anderer Dienste. Wie schon gesagt , löst es das Silber in sich an
und ist demselben ein lieber Freund, den es gern aufsucht. Ba
Silber ist nämlich ein edles Metall und liegt, wie alles Edle’
nicht gleich so zu Tage, sondern steckt verborgen in ganz unaß'
sehnlichen Steinen, gemengt mit anderen Stoffen, z. B. nl1
Kupfer und Schwefel. Der Bergmann kennt diese Steine ff
wohl und läßt sich durch ihr Aussehen nicht irre machen. Er 2er'
pocht sie, röstet sie und treibt dadurch den Schwefel fort, der sic
vor dem Feuer fürchtet wie vor einem Feinde, und davon eilt, P
bald er warm wird. Wollte nun der Bergmann aus dem zurück^
bliebenen Gestein das Silber mit dem Finger herauslesen, so würd.
er vergeblich darnach suchen, denn es steckt in so kleinen Spitzch®
in dem Kupierstein, daß es nicht zu sehen ist. Er zermahlt vie*'
mehr das Gestein noch zu Mehl, thut dieses Erzmehl in das
das sich wie ein Mühlstein dreht, und bringt nun den Freund
Silbers, das Quecksilber, auch in das Faß. Lustig dreht sich daß
das Quecksilber in lauter kleinen Tropfen mit im Kreise beruß'
Ohne sich um das Kupfer zu kümmern, ergreift es ein Spitzel^
Silber nach dem andern und schwenkt sich in dem drehenden Tan*
boden, bald oben, bald unten, bald langsam, bald rasch, so lang
herum, bis sämmtliches Silber mit ihm tanzt. Dann erst hat dl
Lust ein Ende. In einem Klumpen vereinigt liegen unsere Tän^
erschöpft da und werden nun in einem Gefäße ,dem Feuer ausg\,
setzt. Aber da schlägt die Scheidestunde; denn die Hitze treibt d^
arme Quecksilber als Dampf hinweg. Während so das Silber v^r
lassen und allein zurückbleibt, muß das Quecksilber durch Röhi'cj
steigen, die in kaltem Wasser liegen, muß sich hier abkühlen j11!
dann von neuem wieder Silber aus seinem Versteck aufsuchen. ^ej
Leben ist ein beständiges Finden und Verlieren. — t
Auch zum Golde fühlt sich das Quecksilber hingezogen. Sen’*
ein edles Metall, hält es sich am liebsten zu dem Edlen, ble1^
auch, wie die edlen Metalle, immer hübsch blank und rein, währßß
sich das unedle Kupfer zum Aergerniß der Köchinnen am Wass.
und an Säuren leicht verunreinigt. Gehst du zum Goldschmied,
kannst du sehen, wie es selbst Freundschaft stiftet zwischen de
Silber und dem Golde, so innig und fest, daß das Gold ganz Si'ß
geworden zu sein scheint. Beim Spiegelmacher kettet es sogar d‘
Glas und das Zinn freundschaftlich an einander. . ,)t
Der Maler läßt es als schöne rothe Farbe prangen. Er misc..
nämlich auf eine künstliche Weise einen Theil Schwefel unter sec
Theile Quecksilber und erhält, wenn er es recht macht, jene schöi
rothe Farbe, die man Zinnober nennt. . .ßj)
Selbst in die Büchsen der Apotheker läßt es sich schick
und wandert von da in die Krankenhäuser, um als Arzenei ü
Tod zu vertreiben, wenn es geht.