1876 -
Berlin
: Wohlgemuth
- Autor: Wirth, Gustav, Theel, F. W.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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iteberau schwellende Moosbänke! Hier und da sieht man, wie das
Wasser unter den Steinen silberhell hinrieselt und die nackten
Baumwurzeln und Fasern bespült. An manchen Orten sprudelt
das Wasser aus den Steinen und Wurzeln stärker hervor und
bildet kleine Wasserfälle. Da läßt es sich gut sitzen. Es murmelt
und rauscht so wunderbar; die Vögel singen abgebrochene Lautes
die Bäume flüstern wie mit tausend Zungen; wie mit tausend Augen
schauen uns die seltsamen Bergblumen an und strecken nach uns
die wundersam breiten, drollig gezackten Blätter aus.
Je höher man den Berg hinaufsteigt, desto kürzer, zwerghaster
werden die Tannen, sie scheinen immer mehr und mehr zusammen
zu schrumpfen, bis nur Heidelbeer- und Rothbeersträucher und
Bergkräuter übrig bleiben. Da wird es auch fühlbar kälter. Die
wunderlichen Gruppen der Granitblöcke werden hier erst recht sichte
bar; sie sind oft von erstaunlicher Größe. Das mögen wohl die
Spielbälle sein, die sich die bösen Geister einander zuwerfen in der
Walpurgisnacht, wenn hier die Hexen auf Besenstielen und Mist-
gabeln einhergeritten kommen. In der That, wenn man die obere
Hälfte des Brockens besteigt, kann man sich nicht erwehren, an die
ergötzlichen Blocksberggeschichten zu denken. Es ist ein äußerst
erschöpfender Weg, und ich war froh, als ich endlich das lang-
ersehnte Brockenhaus zu Gesicht bekam.
Dieses Haus, das auf der Spitze des Berges liegt, enthält
außer dem Hauptsaale noch etwa 30 heizbare Zimmer, eine Küche,
einen Pferdestall, Keller und andere Gemächer und genügt allen
billigen Ansprüchen. Vor dem Hause steht eine thurmartige Warte,
und bei dem Hause liegen noch zwei kleine Nebengebäude, wovon
das eine in früheren Zeiten den Brockenbesuchern zum Obdach
diente. H. Heine.
374. Heidelbeeren-Ernte im Harz.
Die Kultur unserer schönen europäischen Obstarten ist
im ganzen Harzgebirge unbedeutend. Die Natur hat aber
diesen Mangel durch mehrere wilde Früchte und Beeren-
sträuche, die ein hartes Klima ertragen und die sie in großer
Fülle über die Brüche, Sümpfe, Wälder und Anger aus-
streute, ersetzt. Die Sage des Volkes, die immer so poetiseli
ist, erzählt, daß einst ein frommer Bergklausner die heilige
Mutter Maria um Obst für die armen Bergbewohner ange-
fleht habe, und daß Maria, sein Gebet erhörend, darauf ihren
eigenen Kranz vom Haupte genommen, ihn aufgelöst und
über die Berge und Thäler verstreut habe, auf denen nun
die Beeren, die hübschen Erd- und Heidel-, die Brom-, Hirn-
und Preißelbeeren so reichlich wuchsen, daß seitdem die