1876 -
Berlin
: Wohlgemuth
- Autor: Wirth, Gustav, Theel, F. W.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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fragt, von des Hohenpriesters Knecht einen Backenstreich empfangen
hatte, sprach: Habe ich übel geredet, so beweise, daß es böse sen
Hat nun der Herr, welcher wußte, daß er nicht irren konnte, M
nicht geweigert, Zeugniß wider seine Lehre zu hören, selbst von
einem geringen schnöden Knecht, wie viel mehr ich, der ich Erde
und Asche bin und leicht mich irren kann, soll begehren und warten,
ob jemand Zeugniß wider meine Lehre geben sollte. Darum bitte
ich durch die Barmherzigkeit Gottes Ew. Kaiserliche Majestät, Kur-
und Fürstliche Gnaden, oder wer es thun kann, er sei hohen oder
niedrigen Standes, wollen Zeugniß geben, mich mit prophetischen
und apostolischen Schriften überweisen, daß ich geirrt habe. Als-
dann so ich des überzeugt werde, will ich ganz willig und bereu
sein, allen Irrthum zu widerrufen und der erste sein, der meine
Bücher ins Feuer werfen will."
Die Rede hatte lange gedauert, es war ihm heiß geworden,
aber auf Begehr des Kaisers, der das hochdeutsche wenig verstand,
wiederholte er sie auch in lateinischer Sprache. Der Kanzler sagte,
man sei nicht hier, um gu disputiren, nur eine schlichte, runde
Antwort werde von ihm begehrt, ob er Widerruf thun wolle oder
nicht. Darauf antwortete Luther:
„Weil denn Ew. Kaiserliche Majestät und Gnaden eine
schlichte Antwort begehren, so will ich eine solche geben, b?
weder Hörner noch Zähne hat, dermaßen: Es sei denn, daß lc*
durch Zeugniß der heiligen Schrift oder mit klaren und hellen
Gründen überwunden werde, kann und mag ich nicht widerrufen,
weil weder sicher noch gerathen ist, etwas wider das Gewissen
thun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir-
Amen!"
Zu Tausenden drängte das Volk auf seinem Heimwege d^n
Vielgeliebten und Vielgehaßten zu sehen. Viele Ritter und einige
Fürsten kamen noch am Abend in seine Herberge, ihm die Hnn^
zu schütteln. Der alte Herzog Erich von Braunschweig schickte ihin
einen silbernen Krug voll Eimbecker Bier. Luther fragte, von wei"
es sei? Der Edelknabe sagte: Herzog Erich habe selbst daraus getrunken,
er möge sich nichts Böses versehen. Da that Luther einen tiefen
Zug und sprach: „Wie Herzog Erich meiner gedachte hat, also g^
denke der Herr Christus seiner in seinem letzten Stündlein."
K. A. Hase-
327. Gustav Adolfs Tod.
In der Nacht auf den 16. November 1632 traf Gustav
Adolf bei Lützen, in der Nähe von Leipzig seine Anordnung^11
zur Schlacht, und er bestimmte unter anderem, daß,
ihm Menschliches widerfahre, der Herzog Bernhard von Weim®1'
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