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1876 -
Berlin
: Wohlgemuth
- Autor: Wirth, Gustav, Theel, F. W.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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kielten es für dumpfe Verzweiflung, in der man selbst auf alle
Vertheidigung Verzicht leistet. Diese aufs höchste gespannte Erwartung
war nicht wenig Ursache ihres so geringen Widerstandes und ihres
panischen Schreckens. Der General Seidlitz nämlich kam mit der
preußischen Reiterei auf einmal hinter einem Hügel hervor und
stürzte wie ein Donnerwetter mit künstlichen Wendungen auf den
hoffnungstrunkenen Feind los. Was nie auf einem Schlachtfelde
erhört war, geschah hier; die leichtbewaffneten Husaren mit ihren
behenden Pferden waren verwegen genug, die schwere französische
Reiterei trotz ihrer kolossalen Roffe anzufallen. Sie wurden über
den Haufen geworfen. Soubise ließ die Nachhut vorrücken; allein
kaum zeigte sie sich, so wurde sie auch aus dem Felde geschlagen-
In eben dieser Zeit rückte das vorher so ruhige preußische Fußvolk
plötzlich in Schlachtordnung an und empfing die Franzosen mit
einem entsetzlichen Kanonendonner. Hierauf folgte ein regelmäßiges
Gewehrfeuer wie bei Musterungen. Das französische Fußvolk sah
sich nun von seiner Reiterei verlassen, seine Kolonnen wurden mit
leichter Mühe auseinander gesprengt und nichts blieb übrig als
eine allgemeine Flucht. Die Franzosen sowohl als die Neichsvölker
warfen‘ ihre Gewehre weg, um sich desto geschwinder retten zu
können, nur einige Schweizerregimenter fochten noch eine Zeit laug
und waren die letzten auf dem Schlachtfelde. Der Sieg war w
geschwind entschieden worden, daß selbst die Ueberwundenen nicht
einmal auf die Ehre eines starken Widerstandes Anspruch machten,
sondern sich mit ihrem panischen Schrecken entschuldigten; dabei
unterließen die Franzosen jedoch nicht, den Reichstruppen alle Schuld
beizumeffen.
Die Beute der Preußen war sehr groß. Unter anderem sielen
eine Menge Ludwigskreuze den preußischen Husaren in die Hände,
die sich damit putzten. Es wurden 72 Kanonen und 22 Fahnen
erobert und 6220 Gefangene gemacht. Die vereinigten Armeen
hatten 3560 Todte und Verwundete, die Preußen nur 300; unter
den Verwundeten befand sich auch Prinz Heinrich von Preußen
und der General Seidlitz. Ein so wohlfeiler und doch dabei 1ü
vollkommener Sieg gegen ein kriegerisches Volk ist in der neueren
Geschichte ohne Beispiel. Die Kürze des Tages in dieser Jahreszelt
rettete das fliehende Heer vom gänzlichen Untergange; denn es war
kein Rückzug, sondern eine Flucht in der möglichsten Verwirrung-
Die Geschlagenen verschwanden in Sachsen und den angrenzenden
Ländern spurlos; sie zerstörten alle Brücken, um nicht verfolgt Zn
werden, und zerstreuten sich dabei so außerordentlich, daß viele
Haufen von ihnen nicht eher als am Rheine Halt machten; denn
immer glaubten sie den König hinter sich zu haben. :
Alle deutschen Völkerschaften, große und kleine, ohne Rücksicht
auf Partei und eigenen Vortheil/freuten sich dieses Sieges über