1908 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Wohlrabe, Wilhelm, Steger, August
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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lingstage hat er schon, wo die Lerchen über der grünen Saat
tirilieren und die Drosseln im knospenden Walde flöten, wo man
meint, nun müsse der Frühling gleich über die Berge schauen
und rufen: „Ja, ich komme schon!" In den Gärten duftet mit
kräftigem Erdgeruch das gegrabene Ackerland, und um das un-
sägliche Grün der Stachelbeerbüsche, die mit lauter zarten,
braunen Glöcklein behängt sind, summen die Bienen. Aus der
schwarzen Erde steigen nun liebliche Wunder empor, zarte Schnee-
glöckchen, schimmernde Krokus und leuchtende Narzissen, und
gegen Ende gar, da bannt ein holdes Duften deinen Schritt, und
siehe: Die Veilchen blühen. Ja, der März, den lass' ich schon
Leiten. Heinrich Seidel.
324. Frühlingsglaube.
1. Die linden Lüfte sind erwacht,
sie säuseln und weben Tag und
Nacht,
sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer
Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht
dang'!
Nun muß sich alles, alles wen-
den.
2. Die Welt wird schöner mit jedem
Tag,
man weiß nicht, was noch wer-
den mag,
das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal.
Nun, armes Herz, vergiß der
Qual!
Nun muß sich alles, alles wen-
den.
Ludwig Uhland.
325. Du sonnige, wonnige Weltl
1. Das ist des Lenzes belebender Hauch,
der atmet durch Flur und Feld!
Schon schlägt die Drossel im Erlervstrauch,
die Lerche singt und der Kuckuck auch:
O du sonnige, wonnige Welt!
2 Bald kommt der Mai, und der Wald wird grün
und wölbt sein duftiges Zelt.
Die weißen Wolken am Himmel ziehn,
der Apfelbaum und die Rose blühn:
O du sonnige, wonnige Welt!
3. Ihr Knaben und Mädchen, nun kränzt das Haupt,
zum Tanz um die Linde gestellt!
Was heute prangt, ist morgen entlaubt,
und es schneit und stürmt, bevor ihr es glaubt,
in die sonnige, wonnige Welt.