1910 -
Berlin
: Schnetter & Lindemeyer
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Colbert suchte die Steuerkraft des Laudes auf jede Weise zu heben.
Auf fremde Erzeugnisse legte der Staat hohe Zölle und erschwerte
ihre Einfuhr; dagegen konnten alle Rohstoffe steuerfrei eingeführt wer-
den. Colbert zog durch große Versprechungen fremde Arbeiter nach
Frankreich, z. B. venetianische Glasarbeiter, englische Strumpfwirker,
holländische Tuchmacher, deutsche Blech- und Messingarbeiter. Diese
verbreiteten dort die Kunstfertigkeit ihrer Heimat. Viele Waren wur-
den nun ausgeführt; so fanden die Bewohner lohnende Beschäftigung,
und der Wohlstand des Landes nahm zu.
3. Ausbildung einer schrankenlosen Selbstherrschaft. Lud-
wig hat zeitlebens nach dem Grundsatz regiert: „Der Staat bin ich."
Sein königlicher Wille sollte maßgebend für jede Staatshandlung sein;
die Reichszustände, die Vertreter des Volkes, dursten gar nicht mehr
tagen und beraten. „Ein König, ein Gesetz, ein Glaube" war sein
Wahlspruch. Darum gebot er auch, daß die Hugenotten, die franzö-
sischen Reformierten, katholisch werden sollten. Als sie sich weigerten,
wurden sie unterdrückt. Viele verließen ihr schönes Land und fanden
in England, Holland und Deutschland eine neue Heimat.
4. Ludwigs letzte Lebensjahre. Seine letzten Lebensjahre
waren einsam und freudlos; denn seine Kinder und fast alle Kindes-
kinder sanken vor ihm ins Grab. Als Thronerbe blieb ihm nur ein
kleiner Urenkel, der nachmalige König Ludwig Xv. Durch seine
vielen, wenn auch glücklichen Eroberungskriege belastete er Frankreich
mit einer großen Staatsschuld. Unter dem harten Steuerdruck und den
großen Kriegslasten verarmte das Volk. Kein Wunder, daß es bei
der Nachricht von seinem Tode 1715 jubelte.
5. Ludwigs 1. und 2. Eroberungskrieg. Durch den 1. Er-
oberungskrieg gegen das schwache Spanien erwarb Ludwig 12 nieder-
ländische Grenzsestungen, darunter Lille (1668). — Holland hatte
während des 1. Krieges ein Bündnis mit England und Schweden ge-
schlossen und hatte es durchgesetzt, daß Ludwig die wichtigsten Erobe-
rungen wieder herausgeben mußte. Darum fiel er in Holland ein
und eroberte das Land zum größten Teil. Die französischen Reiter
schweiften bis in die Nähe von Amsterdam. Nun war „Holland in
Not." Da erstand Holland ein Retter in dem jungen Wilhelm von
Oranien, der Statthalter und Oberbefehlshaber war. Er ließ die
Dämme durchstechen und das Land unter Wasser setzen. Hierdurch
wurde der französische Vormarsch zum Stillstand gebracht. Der kluge
Dränier schloß nun ein Bündnis mit Spanien, dem Kaiser und dem
Deutschen Reich; auch der Große Kurfürst nahm als deutscher Lehns-
sürst am Kriege gegen Ludwig teil. Da aber die Verbündeten nicht
recht einig waren und den Krieg unentschlossen führten, so blieb Lud-
wig Xiv. im Vorteil. Im Frieden von Nymwegen (1678) erhielt er
von Spanien die Freigrafschaft Burgund und eine zweite Reihe nieder-
ländischer Grenzsestungen.