1886 -
Münster i.W.
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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35, Das wohlfeile Mittagessen.
Es ist ein altes Sprichwort: „Wer andern eine Grube
gräbt, fällt selber darein." — Aber der Löwenwirt in einem
gewissen Städtlein war schon vorher darin. Zu diesem kam
ein wohlgekleideter Gast. Kurz und trotzig verlangte er für
sein Geld eine Fleischsuppe. Hierauf forderte er auch ein
Stück Rindfleisch und Gemüse für sein Geld. Der Wirt
fragte ganz höflich, ob ihm nicht auch ein Glas Wein be-
liebe. „O freilich ja," erwiderte der Gast, „wenn ich etwas
Gutes haben kann für mein Geld." Nachdem er sich alles
wohl hatte schmecken lassen, zog er einen abgeschliffenen Sechser
aus der Tasche und sagte: „Hier, Herr Wirt, ist mein
Geld." Der Wirt sagte: „Was soll das heißen? Seid
Ihr mir nicht einen Thaler schuldig?" Der Gast erwiderte:
„Ich habe für keinen Thaler Speise von Euch verlangt, son-
dern für mein Geld. Hier ist mein Geld. Mehr habe ich
nicht. Habt Ihr mir zu viel dafür gegeben, so ist's Eure
Schuld." — Dieser Einfall war eigentlich nicht weit her.
Es gehörte nur Unverschämtheit dazu und ein unbekümmertes
Gemüt, wie es am Ende ablaufen werde. Aber das Beste
kommt noch. „Ihr seid ein durchtriebener Schalk," erwiderte
der Wirt, „und hättet wohl was anders verdient. Aber ich
schenke Euch das Mittagsessen und hier noch ein Bierund-
zwanzig-Kreuzerstück dazu. Nun seid stille zur Sache und
geht zu meinem Nachbar, dem Bärenwirt, und macht es ihm
ebenso!" Das sagte er, weil er mit seinem Nachbar, dem
Bärenwirt, aus Brotneid in Unfrieden lebte, und einer dem
andern jeglichen Tort und Schimpf gern anthat und erwi-
derte. Aber der schlaue Gast griff lächelnd mit der einen
Hand nach dem gebotenen Gelde, mit der andern vorsichtig
nach der Thür, wünschte dem Wirth einen guten Abend und
sagte: „Bei Eurem Nachbar, dem Herrn Bärenwirt bin ich
schon gewesen, und eben der hat mich zu Euch geschickt und
kein anderer."
So waren im Grunde beide hintergangen, und der dritte
hatte den Nutzen darwn. Aber der listige Kunde hätte noch
obendrein einen schönen Dank von beiden verdient, wenn sie