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1. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 88

1886 - Münster i.W. : Aschendorff
88 Läßt er rasch wie einen Falken abwärts fliegen in das Thal. Denn den Kaufmann will er fangen, der aus weit entlegnen Ländern Heut' zurückkehrt zu den Seinen, reich an Gold und Prachtgewändern, lind was mühsam er erworben auf der Wandrung nah und fern; An dem Räuber, dem gewalt'gen, find't es plötzlich seinen Herrn. — Abend wird's, die Sterne flimmern; mit dem Säbel und der Büchse, Stumm und lauernd, steht der Räuber hinterm hohen Kruzifixe. Horch! da tönt's wie Engelstimmen! Leise Seufzer, laute Klagen Kommen hell wie Abendglocken durch die stille Nacht getragen; Süß, niit ungewohnten Tönen, stiehlt Gebet sich in sein Ohr, Hub er steht und lauscht verwundert hinterm Kruzifix hervor. Alle sind's, des Kaufmanns Kinder, in der Jugend Blütejahren, Braunen Auges frische Knaben, Mägdelein mit blonden Haaren; Dicht beim Räuber, vor dem Kreuze, beugen betend sie das Knie, Für die Rückkehr des Geliebten, ihres Vaters, flehen sie: „O, du Schirmvogt der Verlass'nen, Hort und Pflege du der Waisen, Laß den Vater, unsern teuern, ungefährdet heimwärts reisen! Den du freundlich schon geführt hast durch die Wüste und das Meer, Breit' auch nun die holden Arme wie zween Fluglein um ihn her. Daß kein Sturm den Pfad zerwühle, daß kein Irrlicht ihn umschwirrek Daß sein gutes Roß nicht strauchle, nicht sein Fuß vom Wege irre k Daß kein Räuber stumm und lauernd in der Waldschlucht ihn entdecke? Kein Verrat den Heimgekehrten an der Schwelle niederstrecke!" Also flehten sie; der Räuber hört es hinterm Kruzifixe, Schnallte fester noch den Säbel, spannte schärfer noch die Büchse. Und der Jüngste, niederknieend, hub noch einmal an zu lallen: „Lieber Herr! ich weiß, die Amme sagt' es mir, du hilfst uns allen. Jeden Hauch vernimmst du droben. Freundlich wie das Sonnenlicht Über alle, Gut' und Böse, neigest du dein Angesicht. Gieb den Räubern, den gewalt'gen, die da schwärmen auf den Wegen, Gieb ein Haus, darin zu wohnen, einen Vater, sie zu pflegen, Warnte Kleider, blanke Schuhe, Wein und Speise mancherlei, Daß sie nicht zu rauben brauchen — und der Vater sicher sei! Müßt' ich, wo ein Räuber wäre, ging ich zu ihm ohne Beben; Dieses Kettchen hier am Halse, diesen Ring wollt' ich ihm geben. Meinen Pelz, den scharlachroten, dieses Mützchen auch dazu, Nimm dir alles, lieber Räuber; nur den Vater schone du!" Und der Räuber hört den Knaben hinterm hohen Kruzifixe,' Nach dem Säbel faßt er schweigend, schweigend faßt er nach der Büchse. Da von ferne hört er's nahen. Rosse schnauben, Räder knarren. Mühsam aus des Thales Grunde schwankt herauf der hohe Karren, Und den Säbel zieht der Räuber, richtet langsam stumm die Büchse; Und so steht er, lauscht und zielet hinterm hohen Kruzifixe. Niederkniecn noch die Kinder: „Herr! um unsers Vaters Leben — Laß, o laß die holden Arme wie zween Flüglein ihn umschweben.
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