1886 -
Münster i.W.
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
386
Lothringen der neuen Völkerwanderung zu und brachen im
Frühjahre 1096 nach dem gelobten Lande auf. Ihre Anzahl
wird auf eine Million angegeben. Da es ihnen aber an
einein kundigen Anführer fehlte, da sie selbst keine Ordnung
hielten , viel Gesindel bei sich hatten und durch ihre Ge-
waltthätigkeiten die Bewohner Ungarns, Bulgariens, sowie
die Griechen gegen sich ausbrachten, kamen die meisten um,
ehe sie Asien sahen. Hier gerieten sie unter einander selbst
in Streit, trennten und verließen sich gegenseitig, so daß dann
im Kampfe mit den Türken einer ihrer Führer, und zwar der
mutigste, Walter von Habenichts, mit dem größten Teile seiner
Leute erschlagen, und ein anderer Teil gefangen genommen
und in die Sklaverei geführt würde. Nur Peter von Amiens
rettete sich mit etwa 3000 Mann, ging nach Konstantin
nopel zurück und wartete auf das nachfolgende eigentliche
Kreuzheer.
Im Jahre 1096 unternahmen den Hnuptzug die edelsten
Fürsten und Ritter in heiliger Absicht, mit kräftiger Ordnung,
mit kriegerischer Zucht und fürstlicher Pracht. Unter allen
glänzte hervor durch Tapferkeit und Frömmigkeit der herrliche
Gottfried von Bouillon, Herzog von Lothringen. Auch befand
sich beim Heere der Bischof Adamar als Stellvertreter des
Papstes. Nach manchen Mißhelligkeiten und Unterhandlungen
mit den falschen Griechen stand endlich im April 1097 das
ganze Kreuzheer, 500 000 Mann Fußvolk und 100 000 Mann
Reiterei, in Asien an der Grenze der türkischen Länder, er-
oberte Nicäa, schlug einen Sultan, der heftigen Widerstand
leistete, nahm Edessa ein, wo ein christliches Fürstentum ge-
gründet wurde, und rückte vor das stark besetzte Antiochia in
Syrien. Nach einer neunmonatlichen, schweren Belagerung,
während welcher die Kreuzfahrer sehr bedeutende Verluste er-
litten und in großes Elend gerieten, kam Antiochia durch
Verrat in ihre Hände. Aber kaum waren sie Meister der
Stadt, so rückten viele türkische Emire mit einem furchtbaren
Heere heran und schlossen die Christen ein. Viele entflohen
heimlich aus Antiochia, da der Hunger furchtbar in der Stadt
wütete; doch die übrigen hielten tapfer aus, und ein wunder-
sames Ereignis entflammte die Christenscharen zu Mut und
Siegesvertrauen.
Es war nämlich die Lanze, mit der man die Seite Jesu
durchstochen hatte, schon früher bei dem Heranziehen der Sa-
razenen von Jerusalem nach Antiochia gebracht und hier bei
der Hauptkirche vergraben worden. Dem frommen und be-
geisterten Priester Petrus Bartholomäus wurde durch eine
nächtliche Erscheinung der Ort entdeckt, wo diese Lanze sich