1886 -
Münster i.W.
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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zeigt, welche auch während der beiden folgenden Jahre fort-
dauerte. Um das Jahr 1347 verbreitete sich von Asien,
Ägypten und der europäischen Türkei her die Pest nach
Italien und durch Handelsverkehr mit diesem Lande auch
nach Deutschland.
Hier hat sie in den ersten Jahren, 1347 bis 1350, auf
eine so entsetzliche Weise gewütet, daß an vielen Orten kaum
der hundertste Mensch am Leben blieb. Zu Osnabrück blieben
nur sechs, zu Hamm nur zehn Familien übrig, in Bremen
wurden täglich 200 Tote begraben, und die Stadtthore stan-
den Tag und Nacht offen. Auch in Münster verbreitete sich
dieses furchtbare Übel und raffte in gar nicht langer Zeit
über 11,000 Einwohner hinweg. Schon der Hauch des Kran-
ken war den Gesunden tödlich, und so war die Seuche in
wenigen Tagen über Stadt und Land verbreitet. Der Got-
tesdienst mußte eingestellt, die Kirchen mußten geschlossen
werden. Zwar predigten anfangs noch einige Geistliche dem
Volke im Freien, wie denn noch in jetziger Zeit an der St.
Servatii-Kirche die Stelle gezeigt wird, wo eine solche Kanzel
in der Pestzeit angebracht war; allein auch dies mußte auf-
hören, da der Zusammenfluß von Menschen die Ansteckung
beförderte und die Geistlichen selbst hingerafft wurden.
Diese Pest und ein nach ihrem Aufhören die Stadt ver-
heerender, furchtbarer Brand sind die Veranlassung zur Stif-
tung der sogenannten großen Prozession geworden. In der
Diöcese Münster bestehen in vielen Gemeinden außer den
Fronleichnams-Prozessionen sogenannte Brandprozessionen,
wobei ebenfalls das hh. Sakrament umhergetragen wird.
Wozu sie angeordnet sind, zeigt schon ihr Name an: es sind
Bittgänge, um von Gott die Gnade zu erfleheu, daß er die
Gemeinde vor Brand und andern Unglücksfüllen bewahren
wolle. Sie gleichen darin den früheren Rogationsprozessionen,
die kurz vor dem Himmeliahrtsfeste gehalten wurden. Unter
diesen Bittgängen zeichnet sich besonders die eben genannte
große Prozession aus. Sie wurde von dem Bischöfe Heiden-
reich aus dem edlen Geschlechte der Wolf zu Lüdinghausen,
wie schon gesagt, nach dem Aufhören der Pest im Jahr 1382
und nach der großen Feuersbrunst, die im folgenden Jahre
am 22. November einen bedeutenden Teil der Stadt von
der Servatii-Kirche bis zur Georgs-Kommende mit Einschluß
der Ludgeri- und Ägidii-Psarrkirche einäscherte, angeordnet
und war anfangs eine bloße Nogalionsprozession. Die Geist-
lichen begleiteten dieselbe mit dem Magistrate der Stadt in
schwarzer Kleidung, die Kreuze waren umflort, und nach der
Prozession wurde eine h. Blesse zur Sühnung der Sünden