1886 -
Münster i.W.
: Aschendorff
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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geraten. Gern bringt er Opfer, oft jahrelang, wenn es sich
um sein Gotteshaus handelt. Seit einem Menschenalter
sind viele Hunderttausende verwendet worden, um die alten,
unzureichenden Kirchen zu beseitigen und durch neue, stilge-
rechte zu ersetzen, alle aber den Verhältnissen entsprechend sorg-
fältig auszustatten. Der liebe Gott soll in der Gemeinde
die schönste Wohnung haben; das ist des Münsterländers
Grundsatz. Hält man auf den Höhen des Landes Umschau,
dann sieht man aus dem Grün der Büsche, Höfe und Dörfer
bis zum fernen Horizont die schlanken Türme der Gottes-
häuser in großer Zahl hervorragen und als stete Mahner
nach oben zeigen.
Die Sonn- und Festtage werden hoch in Ehren gehalten.
Diese gottgegebenen Ruhetage empfindet und schätzt der
Münsterländer voll und ganz als eine köstliche Wohlthat,
da er die Wochentage in zäher und ausdauernder Arbeit
gründlich ausnutzt. Es ist ein erhebender Anblick, wenn
beim Klange de/ Glocken auf allen Wegen und Stegen die
langen Reihen der Kirchgänger herankommen, altersgebeugte
Greise am Stabe, Männer und Frauen in angelegentlicher
Unterhaltung, hier ein Trupp munterer Kinder, dort eine
Schar Erwachsener voll Lebenslust und sprühenden Froh-
sinns. Es füllt sich das Gotteshaus mit einer dichtgedrängten
Schar Andächtiger; ein entschiedener Ernst lagert über der
Versammlung. Was da im Gotteshause vorkommt, was da
in rechter Weise verhandelt wird, das wird mit einem
Schlage Gemeingut der ganzen Gemeinde und in die ent-
ferntesten Höfe und Hütten mitgenommen.
Am Nachmittage besuchen viele nochmals die Kirche.
Man besucht nach der Vesper und christlichen Lehre Freunde,
Nachbarn und Verwandte, macht Spaziergänge in Feld und
Flur, um den Gottessegen 511 besichtigen und Arbeiten zu
überlegen. Es werden auch harmlose Spiele gemacht, gute
Bücher, Zeitungen und Sonntagsblätter gelesen, die in
reicher, sorgfältiger Auswahl mit gediegenem Inhalte in fast
alle Häuser kommen. So stellt sich ein sestgeschlossener
Damm den windigen Anstürmen des Unglaubens und des
Umsturzes entgegen.
Gerät aber ein Münsterländer, der in dieser gesunden
geistigen Luft unter der Obhut braver Eltern schlicht und
einfach aufgewachsen ist, hinaus in das Gewühl der großen
Welt, wo ihn der Unglaube kalt anweht oder der Spott und
Hohn ihm ins Gesicht grinst, da hält er trotzdem an dem
gesunden Glauben fest, den er mit der Muttermilch einge-
sogen hat. Sein Kleinod läßt er sich nicht antasten und