1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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der Frucht die Samenknollen gemeint, die oben am Kraute hangen.
Da es nun Herbst war und die Samenknollen gelb waren, lud er
eine Menge vornehmer Herren zu einem Gastmahle ein, wobei es hoch
herging. Am Ende kam auch eine zugedeckte Schüssel. Der Hausherr
stand auf und hielt eine schöne Rede an die Gäste, worin er sagte,
er habe die Ehre, ihnen hier eine Frucht mitzutheilen, wozu er den
Samen von seinem Freunde, dem berühmten Drake, erhalten habe.
Nach seiner Versicherung könne der Anbau derselben für England höchst
wichtig werden. Die Herren kosteten die Frucht, die in Butter gebacken
und mit Zucker und Zimmt bestreut war; aber sie schmeckte abscheulich,
und es war nur schade um den Zucker. Darauf urtheilten sie alle,
die Frucht könne wohl für Amerika gut sein, aber in England werde
sie nicht reif. Da ließ denn der Gutsherr einige Zeit nachher die
Kartoffelsträucher herausreißen und wollte sie wegwerfen.
Aber eines Morgens im Herbste ging er durch seinen Garten
und sah in der Asche eines Feuers, das sich der Gärtner angemacht
hatte, schwarze runde Knollen liegen. Er zertrat eine, und siehe, sie
duftete so lieblich, wie eine gebratene Kartoffel. Er fragte den Gärtner,
was das für Knollen wären, und dieser sagte ihm, daß sie unten
an der Wurzel des fremden amerikanischen Gewächses gehangen hätten.
Nun ging dem Herrn erst das rechte Licht auf. Er ließ die Knollen
sammeln, zubereiten und lud dann die Herren wieder zu Gaste. Da
mag er wohl wieder eine Rede gehalten haben, von der der Inhalt
der gewesen sein wird, daß der Mensch, wenn er blos nach dem urtheilt,
was an der Oberfläche ist, und nicht auch tiefer gräbt, manchmal
gar sehr irren kann. Schubert.
Wie oft Gott zu danken sei.
94.
Wie viel Körnlein Sand im Meer,
Wie viel Sterne oben her,
Wie viel Thiere in der Welt,
Wie viel Heller unterm Geld,
In den Adern wie viel Blut,
In dem Feuer wie viel Glut,
Wie viel Blätter in den Wäldern,
Wie viel Gräslein in den Feldern,
In den Hecken wie viel Dörner,
Auf dem Acker wie viel Körner,
Auf den Wiesen wie viel Klee,
Wie viel Stäublein in der Höh',
In den Flüssen wie viel Fischlein,
In dem Meere wie viel Müschlein,
Wie viel Tropfen in dem See,
Wie viel Flocken in dem Schnee,
So viel lebendig weit und breit:
So oft und viel sei Gott Dank iu
Ewigkeit. Amen.
Des Knaben Wunderhorn.
95. Der deutsche Jägerbursche.
Ein in Polen wohnender deutscher Unterförster sandte eines
Abends seinen Sohn, einen vierzehnjährigen Burschen, auf ein be-
nachbartes Dorf. Als der Knabe wieder nach Hause ging und kaum
noch 300 Schritte von der väterlichen Wohnung entfernt war, sah
er etwas auf dem Wege sitzen, das er anflinglich für einen Hund
hielt.- Der Mond warf sein falbes Licht auf den Weg; der Schnee
flinkerte; es war eine entsetzliche Kälte. Der Bursche trat noch einige
Schritte vorwärts und erkannte einen Wolf. In der Jugend hatte