1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Zweite Abtheilung.
A. Geschichten aus der Geschichte.
1. Das alte Deutschland und seine Bewohner.
1. Das alte Deutschland war den Wildnissen des jetzigen
Nordamerikas zu vergleichen. Das südliche gebirgige Hochland war
größtentheils mit Wald bedeckt, das nördliche ebene Tiefland eine
Einöde, von großen Morästen durchschnitten. Rauher war das Klima, als
jetzt, denn Waldungen halten die Sonnenstrahlen ab, lassen den Boden
nicht austrocknen und kühlen daher die Luft. Daher hat man schon
längst die Erfahrung gemacht, daß das Klima eines Landes durch Aus-
hauen der Wälder und ausgebreiteten Anbau selbst milder wird. So
ist es auch mit Deutschland geschehen. Die Einwohner dachten wenig
an Ackerbau; die meisten unserer Getreide-, Gemüse- und Obstarten
waren damals noch gar nicht dort einheimisch, und eine Weintraube kannte
kein Deutscher; aber Heerden, vorzüglich von Rindern, waren das
Hauptbesitzthum der Bewohner. Dazu kam der große Reichthum au
wilden Thieren und Wildpret, den die endlosen Waldungen enthielten;
damals hauseten in Deutschlands Forsten noch der Bär, das Elenn-
thier und der Auerochse; selbst das Reunthier soll dort gelebt
haben.
2. Die alten Deutschen. Der Deutsche war den Indianern
Nordamerikas ähnlich; die gleiche Beschaffenheit des Vaterlandes zwang sie
zu ähnlicher Lebensart. Groß und kräftig war ihr Körper, abgehärtet
gegen die Rauhheit der Luft und die Beschwerden der Jagd und des
Krieges. Ihr Kleid war das Fell erlegter Thiere, deren Gehörn ihnen
selbst zum Kopfschmuck diente; dadurch schon erschienen sie den an
schöne Gewänder und schimmernden Waffenschmuck gewöhnten Römern
fürchterlich. Keulen, Lanzen, Streitäxte, S chwerter waren
ihre Waffen; kein Panzer, wohl aber gewaltige Schilde schützten
sie gegen den Feind. Hütten von Baumstämmen oder Thierfelleu
gaben ihnen hinreichenden Schutz gegen die Witterung, deren Rauhheit
sie so wenig achteten, daß sie ihre Versammlungen, Schmausereien
und Feste stets im Freien hielten. Städte kannte man nicht; jeder
bauete sich an, wo ein bequemer Platz ihn einlud; jedoch bildeten ihre
Wohnungen Dorfschaften, die aber weit von einander getrennt lagen,
denn nur schwach war die Bevölkerung des Landes. Jagd und Krieg
war das Hauptgeschäft des freien Mannes; für den nothdürftigen Acker-