1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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9. Heinrich I., der Vogelsteller genannt. (919 — 936.)
1. Heinrichs Wahl. Heinrich soll gerade bei seinen Vogelheerden auf
seinen Gütern im Harz gewesen sein, als ihm Boten die Nachricht von seiner
Wahl zum Könige der Deutschen brachten; daher sein Beiname. Billiger aber
hätte man ihn den Großen nennen sollen, denn in weniger als 20 Jahren
erhob er daö seit Karl dem Großen sehr gesunkene deutsche Reich zur
erstell Macht der Christenheit.
2. Ungarn und Wenden. Deutschland war damals ein sehr unglück-
liches Land. Von Südosten jagten häufig auf ihren schnellen Pferden die
Hunnen oder Ungarn, ein aus Asien hergekommenes Volk, heran, trieben
den Bauern ihr Vieh weg und sengten und plünderten, wohin sie kamen.
Sammelte sich langsam ein Haufe deutscher Krieger wider sie und fing an, sich
in Marsch zu setzen, so waren sie sammt ihrer B-ute bereits wieder fort. Von
Nordosten her kamen zu Zeiten die Wenden und machten es eben so. Das
war eine traurige Zeit.
3. Heinrich als Städtegründer. Was that nun der kluge Heinrich ? —
Zuerst schloß er mit den Ungarn einen 9jährigen Waffenstillstand, indem er
ihnen einen jährlichen Tribut versprach. Nun begann im deutschen Reiche eine
bessere Zeit. Zur bessern Vertheidigung des Landes bauete der König mehrere
Städte, besonders in Sachsen und Thüringen, und einige derselben umzog er
mit Mauern und Wassergräben. Solch' eine ummauerte -stadt nannte man auch
Burg und ihre Bewohner Bürger. Aber die Deutschen haßten das Leben
hinter den Mauern und sagten: „Sollen wir uns lebendig begraben lassen? Die
Städte sind nichts anders, als Gräber." Da befahl Heinrich, die Leute sollten
loosen, und je einer aus neunen, den das Loos treffe, sollte vom Lande in die
Stadt ziehen. Damit sie das aber um so lieber thun möchten, gab er den
Städten viele Vorrechte, so daß die Bürger hinter ihren Mauern nach und
nach viel freier wurden, als die Bauern, welche ihren Edelleuten oder Klöstern
als Leibeigene dienen mußten. Nun fing bald der eine an, für die übrigen
Kleider zu machen; ein anderer verfertigte Schuhe für alle; ein dritter bauete
Häuser u. s. f. — mit einem Worte, es entstanden die verschiedenen Hand-
werke. Bis dahin hatte jeder sein eigener Schneider, Schuster, Maurer u. s. w.
sein müssen. — >
4. Verbesserung der Kriegsmacht. Aber nicht blos Festungen,
sondern auch eine wohlgeübte Kriegsmacht wollte Heinrich den Ungarn entgegen-
stellen. Er verbesserte die Waffen der Seinigen, lehrte sie in geschlossenen Reihen
fechten und führte zur bessern Uebung eine Art von Kampfspielen ein, die den
Turnieren der spätern Zeit ähnlich waren. Darauf überzog er zunächst die
benachbarten Völker, die so oft Deutschland geplündert und mit den Ungarn
gemeinsame Sache gemacht hatten. Ueberall war er siegreich.
5. Sieg über diewenden. Unter andern brachte er auch die W end en
in Brandenburg zur Ruhe. Mitten im Winter nahte er sich ihrer Hauptstadt
Brenuabor (Brandenburg). Sie zagten aber nicht, sondern meinten, durch
die weiten Sümpfe um die Stadt könne das Kriegsheer nicht dringen. Heinrich
kam aber doch, zwar nicht durch die Sümpfe, aber über dieselben, als sie
festgesroren waren. Die feindliche Stadt wurde genommen; die Wenden waren
besiegt. Und damit dieses unruhige Volk seine räuberischen Ein-
fälle nicht wiederhole, sonderte Heinrich an der Grenze oder
Marke ihres Landes einen Landstrich ab und übergab denselben
einem tapfern Manne, der den Titel Mark- oder Grenzgraf
führte und die Wenden überwachen mußte. Das ist der Ursprung
der Markgrafschaft Brandenburg, aus welcher vor und nach der
preußische Staat entstanden ist.
6. Sieg über die Ungarn. Unterdessen war der Waffenstillstand mit
den Ungarn abgelaufen. Da kamen ihre Gesandten und forderten den fälligen
Tribut. Heinrich ließ ihnen statt dessen einen an Schwanz und Ohren ver-