1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
153
bctftn führen könne u. s. w. 1. Satz: „Unser Herr und Meister Jesus
Christus spricht: Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbei-
gekommen." 29. Satz: „Die werden sammt ihren Meistern zum Teufel
fahren, die da meinen durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein."
36. Satz: „Ein jeder Christ, so wahre Reue und Leid hat über seine
Sünden, der hat völlige Vergebung von Pein und Schuld, die ihm
auch ohne Ablaßbriefe gehört." Diese Sätze schlug er den 31. Ok-
tober 1517 in Gegenwart vieler Studenten und anderer Leute an
die Schloßkirche zu Wittenberg an. Das war der Anfang der Re-
formation^), der Grundstein, auf welchem Luther nach und nach
die evangelische Kirche gebaut hat, die Kirche, welche alle
Satzungen des Papstes verwarf und allein auf die heilige Schrift sich
gründete. Die Sätze machten unerhörtes Aufsehen. Als wären die
Engel selbst die Botenläufer gewesen, so waren sie in 14 Tagen durch
ganz Deutschland, in 4 Wochen durch ganz Europa verbreitet. Man
staunte und bewunderte den Muth des Mannes, der es wagte, die
Macht des Papstes anzugreifen, eine Macht, vor welcher man die
mächtigsten Fürsten hatte zittern sehen.
5. Luthers Lossagung vom Papste. Bald genug er-
schien denn auch der Bannfluch *) **) des Papstes gegen Luther. Dieser
aber inzwischen und dadurch zu größerem Widerstände gereizt, ließ ein
Feuer anzünden und übergab in Gegenwart der staunenden Menge die
Bannbulle mit kühner Hand den Flammen. Dadurch hatte er sich nun
gänzlich vom Papste losgesagt; man zitterte für sein Leben, und viele
hielten ihn für verloren. Er aber kannte keine Furcht. Auch hatte
er schon mächtige Freunde, die sich seiner annahmen. Da war vor
allem der edle Kurfürst Friedrich der Weise, welcher entschlosien
war, ihn zu schützen. Ulrich von Hutten, ein rechter, deutscher
Mann, kühn und scharf mit dem Schwerte und mit der Feder. Wie
er einst vier Franzosen zu gleicher Zeit zum Zweikampf forderte und
sie alle besiegte, weil sie vom Kaiser unehrerbietig gesprochen hatten,
so war er auch mächtig mit dem Worte. Mit Begeisterung ergriff er
Luthers Sache und hätte gern das Schwert für sie gezogen. Franz
von Sickingen, ein tapferer Ritter in Franken, und mit so außer-
ordentlichen Eigenschaften begabt, daß man ihn der Kaiserkrone für
würdig hielt. Er bot Luthern einen sichern Aufenthalt in seiner Burg
Landstuhl in der Pfalz. Wie mächtig er war, zeigte er in einer
Fehde gegen den Erzbischof Richard von Trier, den er mit 12,000
Mann überfiel.
Zu Luthers eifrigsten Gegnern gehörte unter den Fürsten der
Kurfürst Albrecht von Mainz und sein Bruder Joachim I. von
Brandenburg; vor allem auch Kaiser Karl V., welcher gelobte, „alle
seine Macht daran zu setzen, um dies gottlose Unternehmen zu ver-
hindern."
*) (Kirchen-) Verbesserung.
") Bann — Ausschließung aus der kirchlichen Gemeinschaft.