1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Prediger nach Zürich. Hier fing er an, in seinen Predigten ganze Bücher der
heil. Schrift, zuerst das Ev. Matthäi, zu erklären. Seine Predigten fanden
ungeheuren Beifall, und seine Anhänger mehrten sich mit jedem Tage. Als
der Ablaßkrämer Bernhard Samson in der Schweiz sein Wesen trieb,
strafte er scharf dieses gottlose Treiben. Eine kräftige Stütze hatte Zwingli
an dem Rathe von Zürich. der in seiner Mehrzahl der reinen Lehre zugethan
war. Er berief auch alle Geistlichen, die vermeinten, Zwingli's Lehre wider-
legen zu können, nach Zürich, und obgleich über 600 beisammen tanzen, so ging
der Reformator doch siegreich aus dem Wortkampfe hinweg.
Zwingli wich nur in wenigen seiner Lehren von Luther ab, am meisten in
der Lehre vom Abendmahl. Beide Männer kamen zwar iu Marburg zusammen,
um sich über eine Vereinigung zu berathen, allein keiner von ihnen wollte von
seiner Meinung lasten, und so entstand leider die Trennung zwischen Resormirten
und Lutheranern.
Lange schon hatte große Erbitterung und Feindschaft geherrscht zwischen
den katholisch gebliebenen Kantonen der Schweiz und dem protestantisch gesinnten
Zürich und seinen Bundesgenossen. Nun brach der Krieg aus, und der edle
Zwingli mochte nicht in Ruhe daheim bleiben, während um die höchsten christ-
lichen Güter gekämpft wurde; hatte er doch den Kampf hauptsächlich veranlaßt.
Er rüstete sich, als Feldprediger mitzureiten. Vor seiner Wohnung auf dem
Stiftsplatze sammelte sich das Kriegsvolk. Das Pferd, welches ihn tragen
sollte, ward herbeigeführt; er schnallte sich den Panzer um und sprach tröstend
zu seinem treuen Weibe: „Die Stunde ist gekommen, wo wir uns trennen
wüsten. Es sei so, denn der Herr will es! Er sei mit dir, mit mir und den
Kindern!" Der Vater hatte Mühe, aus den Umarmungen des tief betrübten
Weibes und der weinenden Kinder sich loszureißen. „So der Herr will, sehen
wir uns wieder!" — Das waren die letzten Worte, welche die traute Familie
von dem Streiter Gottes auf Erden vernehmen sollte.
Am 11. Oktober kam es bei Kappel, nahe am Rigiberge, zur Schlacht.
Die Züricher wurden von der Uebermacht der katholischen Kantone besiegt;
auch Zwingli, der unter den Vordersten kämpfte, wurde mit Wunden bedeckt,
sein Pferd getödtet, zuletzt sank er selbst nieder. Ein Kriegöknecht aus Uri
glaubte ihn zu erkennen, trat zu dem sterbenden Manne und rief: „Du syst der
Hilterich (Huldreich), sollt' i meine?" Zwiugli läuguete es nicht. Da knieete
der Mensch auf den Kraftlosen nieder und schrie ihm in's Ohr: „Gläubst an
Päpsten, so möchst du lebe!" Zwingli aber richtete sich kräftig empor und rief
so laut, als seine geschwundenen Kräfte es erlaubten: „Ich glaub' an Gott!"
— „Da must du sterbe!" war die Antwort, und alsbald stieß der Katholik dem
Protestanten das Schwert in die Brust.
25. Adolf Clarenbach, der Reformator des belgischen
Landes, f 1529.
Adolf Clarenbach wurde auf dem Buscherhöfe in der Gemeinde
Lütt ringhausen im Bergischen gegen das Ende des 15. Jahrhunderts
von armen Eltern geboren. Schon als Knabe zeigte er viel Lernbegierde,
weshalb er auf die hohen Schulen zu Münster und Köln geschickt wurde. Hier
machte er gute Fortschritte. Auf's eifrigste beschäftigte er sich mit der heil.
Schrift; auch hatte er den Ruhm eines eingezogenen, keuschen, gottesfürchtigen
Wandels. Er widmete sich dem Schulfache. Im Jahre 1523 wurde er zuerst
Conrector in Münster, wo er nicht nur unter seinen Schülern die evangelische
Wahrheit verbreitete, sondern auch viele Bürger für dieselbe gewann. Seit
1525 that er dasselbe als Conrcctor in Wesel. Hier fand er bald Freunde des
Evangeliums. Besonders enge verband er sich mit dem gleichgesinnten Lands-
manne, dem Caplan Sylvan (vonrade vorm Wald) undklopreis, Pfarrer
in dem nahen Büderich. Auf Betreiben der Geistlichen wurde aber Clarenbach
verwiesen. Er floh nach Osnabrück, und als er auch hier wegen Verbreitung