1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Tochter den Eid der Treue hatte schwören lassen, nahm er in so herz-
ergreifender Rede Abschied von den Seinen, daß allen die Thränen in
den Augen standen. Tief gerührt schloß er seine Rede mit den Worten:
„Ich sage euch allen Lebewohl; ich sage es vielleicht auf ewig!"
2. Sein Erscheinen und seine Aufnahme in Deutschland.
Mit einem auserlesenen Heere von 15,000 Mann landete er in Pommern
(1630). Sobald sein Fuß die deutsche Erde betrat, sank er auf die
Kniee und dankte Gott mit lauter Stimme für die glückliche Ueberfahrt
und bat um ferneren Segen. Da wurde das Auge manches alten
Kriegers feucht vor Rührung; aber der König sprach: „Weinet nicht,
meine Freunde, sondern betet! Je mehr Betens, desto mehr Siegens."
In Wien spottete man anfangs des „nordischen Schneekönigs", wie man
ihn nannte, und Ferdinand selbst soll bei der Nachricht von der Landung
spöttelnd zu Tilly gesagt haben: „Wir haben ein kleines Feindelmehr
bekommen." Verständige Männer aber urtheilten anders, und Tilly
meinte, es sei schon ein großer Gewinn, gegen Gustav Adolf das Spiel
nur nicht zu verlieren.
Zuerst vertrieb Gustav in Sturmeseile die Kaiserlichen aus Pom-
mern, Mecklenburg und Brandenburg. Ueberall nahm ihn das
Volk wie einen rettenden Engel auf; aber die evangelischen Fürsten
mißtrauten ihm und fürchteten den Kaiser und wollten sich nicht mit ihn:
verbinden. Ja, sein Schwager, Georg Wilhelm von Brandenburg,
wollte es lieber mit den Kaiserlichen, als mit den glaubensverwandten
Schweden halten. Erst als Gustav Adolf bei einer Zusammenkunft
vor Berlin dem Kurfürsten sagte: „Ihr werdet es einst vor Gott zu
verantworten haben, daß ihr um des Evangeliums willen nichts habt
thun wollen," gab dieser die Festungen Spandau und Küstrin an
die Schweden. Jetzt eilte Gustav, um Magdeburg von Tilly zu
befreien, der diese evangelische Stadt hart belagerte. Dieselbe hatte
Boten an ihn gesandt und ihn flehentlich um Hülfe bitten lasten.
„Drei Wochen haltet euch noch," hatte er ihnen sagen lassen, „dann
hoffe ich euch Hülfe zu bringen." Aber der Kurfürst von Sachsen
verweigerte ihm den Uebergang über die Elbbrücke bei Wittenberg,
und während er noch mit demselben unterhandelte, traf schon die schreck-
liche Nachricht ein, daß Magdeburg von den Kaiserlichen erobert sei.
31. Die Zerstörung Magdeburgs. (i63i.)
Es war am 10. Mai in der Sonntagsfrühe. Tilly hatte am Tage vorher
die Stadt fürchterlich beschossen und dann sich zurückgezogen. Da meinten die
Belagerten, er wolle die Belagerung aufheben. Die Stadt athmete auf aus
schwerer Angst, und die ermüdeten Bürger und Soldaten, die seit Monaten
nicht mehr ausgeschlafen hatten, begaben sich gegen 5 Uhr morgens in ihre
Wohnungen, um auf ein paar Stunden der Ruhe zu pflegen. Um 7 Uhr aber
donnerten plötzlich wieder die Kanonen, und von allen Seiten stürzten die Kai-
serlichen, mit Sturmleitern versehen, auf die Wälle los. Die meisten Soldaten
und Bürger waren noch im Schlaf, die wenigen Wachen wurden schnell über-
rumpelt, und Pappenheim war mit einem Heerhaufen bereits in der Stadt