1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
167
ihnen mit seiner ganzen Macht zu Hülfe kommen könne. Er reiste hier-
auf mitten im Winter selbst nach dem Haag, um sich mit den Niederlän-
dern zu verständigen, versuchte auch, die Höfe von Wien und Kopen-
hagen zum Kampfe gegen die Schweden zu bewegen; aber beide ver-
sagten ihm ihre Hülfe. Auch auf dem Reichstage zu Regensburg be-
mühte er sich vergebens um einen Bundesgenossen. So mußte er sich
also selber genug sein. Mit seinen in den Winterquartieren wohl
ausgeruhten Brandenburgern brach er zu Anfang des Junius 1675
plötzlich auf, eilte in schnellen Märschen nach Magdeburg, ging bei
Nacht über die Elbe und stand vor Rathenow, da man ihn noch
tief in Franken glaubte. Schrecklich war die Ueberraschung der in
Rathenow befindlichen Schweden, als sie plötzlich von allen Seiten
sich angegriffen sahen. Die meisten wurden niedergehauen, die andern
wollten nach Havelberg flüchten, wo Wrangel's Hauptquartier war.
Auch die in Brandenburg und der Umgegend liegenden Schweden
brachen dahin auf, aber der Kurfürst ließ ihnen durch vorangeschickte
Reiter alle Brücken abbrechen. Der Prinz von Hessen-Homburg sollte
mit 1600 Reitern den 7800 Mann starken Feind zum Stehen brin-
gen, aber nicht eher losschlagen, bis der Kurfürst selber nachgekommen
sei. Bei Fehrbellin machten die Schweden Halt und nahmen eine
gute Stellung ein. Prinz Homburg, von seinem Muthe verleitet,
greift an, wird aber bald gänzlich umzingelt. Der Kurfürst hat sein
Fußvolk dahinten lassen müssen und ist noch eine Meile entfernt.
Nun geht alles in Sturmschritt vor, fast eine Meile im vollen Lauf.
Schnell übersieht der Kurfürst die Stellung, postirt auf einem noch
unbesetzten Hügel sein Geschütz, und dieses donnert in den Feind.
Der Kurfürst macht dem Prinzen Luft, kommt aber unter das Geschütz
seiner eigenen Kanonen. Die feindlichen Kugeln schlagen dicht um ihn
her, man zielt auf ihn und seinen weißen Schimmel. Da bietet ihm
sein Stallmeister Frobenius sein eigenes Pferd an, und wenige Augen-
blicke, nachdem er selbst das fürstliche Pferd bestiegen, sinkt er, von
einer schwedischen Stückkugel getroffen, todt herab. Die Schweden
dringen wüthend gegen den Hügel und das Brandenburger Geschütz.
Schon wanken einige Schaaren, als der Kurfürst herbeieilt und sich selbst
an die Spitze etlicher Schwadronen stellt, die keine Offiziere mehr
haben. „Muth!" ruft er, „ich, euer Fürst, nun euer Hauptmann,
will siegen, oder ritterlich mit euch sterben!" Da warfen die kräftigen
brandenburgischen Arme die Feinde auf allen Seiten, und Wrangel
nimmt seinen Rückzug nach Fehrbellin. Alles Geschütz und Gepäck
wird eine Beute der Sieger.
Es war eine denkwürdige Schlacht; die erste, welche die Branden-
burger allein und über einen Feind gewannen, der seither noch im
Glauben der Unbesiegbarkeit stand. Selbst Montecuculi *) ließ zu
Ehren des Sieges dreimal feuern. Von der Beute gab der Kurfürst
2000 Wagen und unzählig Vieh dem schwer mitgenommenen Landvolks
') Berühmter Feldherr de» deutschen Kaisers.