1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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auch ein vortreffliches Del. Die äußere faserige Hülle der Schale dient zur
Verfertigung starker Stricke, und aus der harten Schale selbst macht man Trink-
geschirre, Löffel und andere Geräthe. Schneidet man die Blumensprossen ab, so
erhält man einen weinartigen Saft; die jungen Blätter geben Palmkohl und
der weiche, markige Saft des Stammes das sogenannte Palmhirn; aus den
Blättern macht man Matten, Körbe, Fächer, Sonnenhüte; das Holz dient end-
lich zum Bauen und Brennen.
Ein anderes Prachtgewächs der heißen Zone ist der Pisang. Diese
Pflanze gehört zu den Kräutern, hat also keinen Stamm, sondern nur einen
Stengel, aber durch die Wärme des Klima's getrieben, erreicht der Pisang den-
noch eine Höhe von 10 Fuß, und der Stengel ist so dick, wie ein Mannsschen-
kel, er ist aber dabei weich und schwammig. Die Blätter sind 10 bis 12 Fuß
lang und über 2 Fuß breit; die Früchte wachsen, wie bei den Palmen, am
Gipfel in einem traubenförmigen Büschel. Diese Früchte, deren an einem Stamme
wohl über hundert sitzen, haben einen herrlichen Geschmack und dienen den Be-
wohnern jener Gegend zur gewöhnlichen Nahrung. Sobald die Füchte reif
find, stirbt die Pflanze ab und schlägt dann an der Wurzel wieder aus; sie
erreicht also in einem Jahre diese erstaunliche Größe und Stärke.
Der heißen Zone gehören endlich noch zwei sehr merkwürdige Bäume an,
die gleichfalls einen Beweis von der durch die Hitze bewirkten Triebkraft der
Natur geben. Diese Bäume sind der Baobab o-er Affenbrotbaum und
der Wurzelbaum. Der erste wird für den größten aller bekannten Bäume
gehalten; der Stamm erreicht zwar nur die Höhe von 12 Fuß, aber die Dicke
des Stammes beträgt im Durchmesser 25 Fuß; demnach ist der Umfang dieses
Baumes wohl so groß, daß 12 Mann ihn kaum umfassen können. Die Krone
wird gegen 70 Fuß hoch und breitet sich auf 150 Fuß weit aus. Die Wur-
zeln haben zum Theil eine Länge von 170 Fuß. Die ungeheuren Zweige sen-
ken sich zuletzt, von ihrer eigenen Schwere niedergedrückt, mit ihren Spitzen auf
die Erde herab und verdecken den Stamm. In den ersten 5 Jahren wächst der
Baum schnell, nachher aber so langsam, daß man das Alter dieser Bäume auf
5- bis 6000 Jahre berechnet. Der Wurzelbaum wächst gewöhnlich an sumpfigen
Orten. Seine Wurzeln steigen aus der Erde hervor und erstrecken sich oft.
wenn ein solcher Baum an einem Flusse steht, dessen Bette schmal ist, bis an's
jenseitige User und bilden auf diese Weise eine Art Brücke. Die Zweige des
Baumes haben das Besondere, daß sie sich zur Erde herabsenken, Wurzeln schla-
gen und einen neuen Stamm bilden. So wird nach einiger Zeit ein einziger
Baum der Stammvater eines ganzen Waldes, und alle seine Kinder bleiben
mit ihm in Verbindung. Ein solcher Wald ist selbst dem hartnäckigsten und
geduldigsten Wanderer undurchdringlich.
Außer diesen wunderbaren und merkwürdigen Gewächsen gedeihen in der
heißen Zone io manche Pflanzen auf eine ausgezeichnete Weise, die in den ge-
mäßigten Gegenden nur klein und niedrig bleiben. Die Rohrarten sind ge-
wöhnlich dünn und schwach', aber in Ost- und Westindien wächst das Bam-
busrohr zu der Höhe eines starken Baumes empor, ver zuweilen 60 Fuß hock
wird und eine Dicke von 2 Fuß hat. Dabei ist es so außerordentlich hart, daß
es sich wohl der Länge nach durchspalten, aber nicht durchschneiden läßt, und
es wird daher zu Stangen und Pfählen, zum Häuser- und Schiffsbau verwen-
det. Farrenkräuter, die sich sonst nur wenig über den Boden erheben, er-
reichen hier eine Höhe von 25 Fuß; Bäume, fast zweimal so hoch als unsere
Eichen, prangen mit Blüthen so groß, wie unsere Lilien, ja in Südamerika
wächst eine Pflanze, deren Blume von 4 Fuß Umfang sich die indianischen Kna-
den über die Scheitel ziehen. Alle die Gewächse, welche gewissermaßen den
Europäern jetzt zum Bedürfniß geworden sind, gehören der heißen Zone an,
z. B. Kaffee, Zucker, Thee; Gewürze, wie Pfeffer, Muskatnüsse,
Nelken u. s. w. Kostbare Färbestoffe, z. B. der Indigo, kommen aus
den heißen Gegenden; treffliche Heilmittel, unter andern die Chi narr» de,
manche Balsam arten, werden nur unter einem heißen Himmelsstriche ange-