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1. Lesebuch für Volksschulen - S. 259

1877 - Ruhrort : Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
259 kürzer, als um Johanni, aber die Sonne kommt doch jeden Morgen zum Vorschein, wenn sie auch etwas auf sich warten läßt. In jenen Gegenden jedoch hat sie auf lange Zeit Abschied genommen, und die Kerzen am Weihnachtsbaum können des Mittags um 12 Uhr ange- zündet werden, und wer will, kann des Morgens um 6 Uhr zu Bett gehen und des Abends um 6 Uhr aufstehen, es ist alles einerlei, fin- ster ist es und bleibt es, so daß mancher zuletzt gar nicht mehr wiffen mag, ob es denn eigentlich Tages- oder Nachtszeit ist. Gewiß wür- den einem guten Deutschen, mag er nun ein Preuße oder ein Oest- reicher sein, die Thränen in die Augen treten, sollte er die Sonne auf mehrere Monate scheiden sehen. So wird der Winter im hohen Norden von einer mehrere Monate langen Nacht begleitet, wogegen der Sommer durch eben so lange Gegenwart der Sonne entschädigt. So gut es aber dann auch die Sonne meint, ein Sommer in unserm deutschen Vaterlande ist mir doch lieber, als im Norden von Schweden und Norwegen. Zwar überziehen sich in kurzer Zeit die Thäler mit einem saftigen, vollen Grün, auch fehlt es nicht an Blüthen mancherlei Art, und die Wärme steigert sich mit jeder Stunde, da die abkühlende Nacht nicht eintritt — aber an Kirschen und Birnen ist nicht zu denken, ja nicht einmal an Kartoffeln, und Brot aus Roggen gilt als Delikatesse. Wer dort wohnt, bekommt keinen andern Baum zu sehen, als die Tanne oder die Birke, und wer aus unserm Vaterlande dort hinziehen will, der nehme nur Abschied von den Buchenwäldern und Obstbäumen, von der Weinrebe und den Weizenfeldern. Anfangs begleiten ihn zwar noch alte Bekannte: Apfelbäume, Birnbäume, Buchen und Eichen; aber je weiter er refft, je mehr bleibt einer nach dem andern zurück, bis er zuletzt nur noch die düstere Tanne und die zierliche Birke neben sich schauet; aber ehe er sich's versieht, sind diese zu Zwergen zusammen- geschrumpft, die kauernd hinter Klippen und in Schluchten Schutz suchen. Hält er immer noch nicht an in seiner Wanderung, so nehmen auch diese Zwerglein von ihm Abschied, und nun erinnert ihn nur noch Weidengebüsch an sein Heimathland, bis auch dieses verschwindet, Haidekraut das endlose Wellenland überzieht, Moose und Flechten den Boden polstern und als die einzig Unüberwindlichen siegreich über die Feinde alles Lebens, über Frost und Schnee triumphiren. Das Blöcken der Schaf- und Rindvieh-Heerden hat sein Ohr schon längst nicht mehr vernommen, schöne, kräftige Hirten sein Auge schon längst nicht mehr gesehen. Die Menschen, die er hier und dort etwa antrifft, kommen ihm fremdartig vor, kleiner als daheim, mit einem andern Schnitt der Kleider und mit einem andern Schnitt des Gesichts. Es sind die Lappländer, mit welchen er im Norden von Schweden und Nor- wegen Bekanntschaft macht. 17*
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