1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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langen, und man sieht sie nur 20 — 25 Meter lang. In der Mitte
sind sie 12 — 16 Meter dick. Das Gewicht eines von der größten Art
schätzt man auf 100,000 Pfund. Der Kopf macht fast den dritten
Theil des ganzen Körpers aus. Die Augen dieses Ungeheuers über-
treffen an Größe nicht die eines Ochsen. Mitten auf dem Kopfe be-
finden sich zwei Oeffnungen zum Athemholen. Durch diese stößt er auch
das eingeschluckte Wasser mit solcher Gewalt aus, daß es einem
Springbrunnen gleicht. Die Floßfedern stehen hinter dem Maule; ihr
Nutzen besteht, wie es scheint, darin, das Thier im Gleichgewicht zu
erhalten; denn sobald das Leben erloschen ist, fällt es auf eine Seite,
oder wendet sich auf den Rücken. Mit den Floßfedern beschützt es
auch seine Jupgen; hinter ihnen ist der dickste Theil des Körpers,
welcher walzenförmig ist und wie ein Kegel nach dem Schwänze hin
abnimmt. Der Schwanz vertritt bei ihm gleichsam die Stelle eines
Ruders und ist die furchtbare Waffe, mit welcher er sich vertheidigt.
Er schwimmt fast so schnell, als ein Vogel fliegt. Der Schwanz und
die Floßfedern bestehen aus harten Knorpeln, während der Leib unter
der Haut Speck hat. Die Haut ist sehr glatt, bei jungen Wallfischen
bläulich schwarz, bei völlig ausgewachsenen schwarz. Die Treue des
Männchens und Weibchens gegen einander ist sehr groß. Anderson,
ein berühmter Wallfischfänger, verwundete einmal einen von zwei Wall-
fischen beiderlei Geschlechts, die zusammen waren. Der andere verließ
aber seinen verwundeten Gefährten nicht, leistete ihm vielmehr so lange
Beistand, bis er unter der Menge seiner Wunden untersank. Mit
großem Getöse streckte er sich dann auf den todten Gefährten und
theilte sein Schicksal. Das Weibchen gebiert ein, höchstens zwei
Junge, die ein Jahr saugen. Wird ein Junges verwundet, so beweist
die Mutter die zärtlichste Anhänglichkeit. Sie vergißt dann alle Rücksicht
auf ihre eigene Erhaltung, schießt mitten durch die Feinde, verachtet die
ihr drohenden Gefahren, und bleibt, selbst verwundet, bei ihrem Jungen.
Ein Beispiel hiervon erzählt ein englischer Schiffskapitän mit folgenden
Worten: „Im Junius 1811 verwundete einer meiner Leute einen jungen,
noch saugenden Wallfisch, in der Hoffnung, dadurch die Mutter zu fangen.
Sogleich erhob sie sich dicht an das Boot, ergriff das Junge und schleppte
es eine Strecke fort; dann erhob sie sich wieder auf die Oberfläche, schoß
wüthend hin und her, hielt oft still, änderte plötzlich ihre Richtung
und gab jedes Zeichen der äußersten Unruhe. Eine lange Zeit fuhr
sie so fort, obgleich von den Booten nahe verfolgt; und belebt von
Muth und Entschloffenheit für das Wohl ihres Jungen, schien sie die
Gefahren nicht zu achten, die sie selbst umgaben. Endlich kam eins
von den Booten so nahe, daß sie von einer Harpune verwundet wurde,
und doch versuchte sie nicht zu entweichen, sondern ließ drei andere
Boote nahe kommen, so daß in wenigen Minuten noch drei Harpunen
sie trafen und sie in Zeit von einer Stunde erlegt ward."
Der Wallfisch hat keine Zähne, sondern nur Barten, unter dem
Namen des Fischbeins bekannt, welche in dem obern Kinnbacken in