1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
- Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
- Auflagennummer (WdK): 28
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Rheinprovinz bei Mülheim und Essen a. d. Ruhr, sowie auch bei Saar-
brücken an der Saar. Die Ruhrkohlen werden meistens verschifft. In so-
genannten Kohlennachen werden sie auf der Ruhr hinunter nach Duisburg
und Ruhrort gebracht und von diesen Städten aus in größern Schiffen den
Rhein hinunter nach Holland und hinauf nach dem Oberlande versandt. Zwi-
schen 40 und 50 Mill. Scheffel kommen hier jährlich zur Verladung, ungerech-
net diejenigen, welche mit der Eisenbahn befördert werden. Man unterscheidet
im Handel und gewöhnlichen Leben hauptsächlich zwei Arten von Kohlen: die
Fettkohle und die Magerkohle. Beide unter einander gemischt geben die
Misch kohle, welche sich am besten zur Stubenheizung eignet. Zur Heizung
der Locomotiven auf der Eisenbahn oder auch der Kessel anderer Dampf-
maschinen und zur Schmelzung des Eisensteins gebraucht man meistens die
ausgeschwefelte Kohle, Koch kohle oder Coaks genannt. Sie brennt ohne
Flamme und Schwefelgeruch und entsteht dadurch, daß man die (fette) Stein-
kohle noch einmal verkohlt, d. h. ohne Zutritt der Luft verbrennt.
Selbst der schmutzige Ruß der Steinkohle ist noch zu etwas nütze. Er ist
werthvoller, als mancher vermuthen sollte, denn aus ihm wird der schwarze
Kohlentheer, sowie das luftige Leuchtgas bereitet, welches in reinster Flamme
die Nächte erhellt.
Die Menschen scheuen keine Kosten und Anstrengung, dieses immer unent-
behrlicher werdende Brennmaterial aus der Tiefe heraufzuholen. Sie machen
zuerst ein weites, senkrecht bis auf das Kohlenlager, Flötz, gehendes, ausge-
mauertes Loch, Schacht genannt, durch welches die Kohlen zu Tage gefördert
werden. Von diesem Schacht aus treiben die Bergleute Quergänge, Stollen,
indem sie die Kohlen ausbrechen und nach dem Schacht hinfahren. Das ist
eine gefährliche Arbeit, und es heißt nicht umsonst: Der Bergmann hat sein
schwarzes Todtenkleid immer an. Manchmal stürzen die Massen herab und
begraben oder verstümmeln die Bergleute. Auch entwickeln sich häufig böse,
brennbare Gase, die sich trotz aller Vorsicht zuweilen entzünden, und wehe den
Arbeitern, die sich in der Nähe dieser schlagenden Wetter, wie der Berg-
mann sie nennt, befinden! Sie sind in der Regel verloren. Auf diese Weise
gerathen zuweilen ganze Kohlen-Minen in Brand, die dann Jahre lang gleich
Vulkanen fortbrennen. Aber trotz aller dieser Gefahren arbeiten die Bergleute
fort und fort und gehen immer wieder rüstig an ihr Tagewerk, zu Nutz und
Frommen des ganzen Menschengeschlechts, sich gegenseitig den schönen Gruß
zurufend: Glück auf!
Nicht immer hat man indeß die Steinkohle so werth gehalten, wie jetzt.
Als man im 14. Jahrhundert in England zuerst'auf den Gedanken kam, die-
selben als wohlfeileres Brennmaterial zu benutzen, da gab's namentlich in Lon-
don große Aufregung. Die Volksvertreter baten den König, er möge doch
den Gebrauch dieses pestilenzialischen Brennstoffes verbieten, wenn er nicht wolle,
daß seine getreuen Unterthanen ersticken sollten. Der König that's. Aber das
Verbot half nichts, es wurde übertreten. Die Uebertreter belegte man mit
Geldstrafen; alles ohne Erfolg. Als man endlich sah. daß niemand davon
erstickte und dem Uebel nicht zu steuern sei, ließ man's gewähren und legte
blos eine hohe Abgabe auf die in London einzuführenden Steinkohlen, welche
erst im Jahre 1830 ganz abgeschafft wurde. Nach Grube.
72. Das Petroleum.
Unter den verschiedenen Beleuchtungsstoffen ist das Petroleum
derjenige, welcher die weiteste Verbreitung und die größte Bedeutung
zu gewinnen scheint.
Wohl schüttelten viele Leute die Köpfe bei der Nachricht, daß in
Amerika an manchen Orten das Oel aus der Erde gepumpt werde, wie
bei uns zu Lande das Wasser, oder daß es dort Teiche und Flüsse
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