1871 -
Einbeck
: Ehlers
- Autor: Brakenhoff, Heinrich Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
30 Erzählungen aus dem Leben zur Warnung
sie fast eben so viel Obst, wenn sie einmal in den Garten
kam, als das Ungeziefer.
. Gar zu gern schlich sie sich in die Milchkammer, wo
sie die Sahne (den Flott) mit den Fingern aus den Milch-
gefäßen nahm. Anfangs glaubte man, dass die Katze diese
Näscherinn wäre, und schaffte sie ab; aber bald entdeckte
sich's, dass Friederike den Schlüssel zur Milchkammer sehr
gut ju finden wusste. Es war also nicht zu verwundern,
dass die Altern gar kein Zutrauen mehr zu ihr hatten, und
Alles vor ihr verschlossen, wie vor einem Diebe. Einige
Mal war sie sogar über den Wein gerathen, welchen der
Vater für Freunde in einem Essschrank stehen hatte, und
war davon berauscht und tödtlich krank geworden.
Eines Tages war sie in der Stube allein, und solche
Zeiten pfiegte sie gern zu ihren Näschereien zu benutzen.
Sie sah^sich um, ob irgend ein Schrank offen stände, oder
ob Schlüssel da wären; endlich bemerkte sie oben auf dem
Schranke ein Näpfchen. .
Sogleich machte sie Anstalt, zu sehen, ob Etwas für sie
zu naschen in demselben wäre. Sie setzte einen Stuhl an
den Schrarck, und da dieser noch nicht hoch genug war, rückte
sie auch den Tisch hinan, stieg vom Stuhle auf den Tisch,
und nahm das Näpfchen herunter. Es war etwas Weißes
darin, wie gestoßener Zucker, sie tunkte die Fingerspitzen ein,
und kostete; es schmeckte süß, und sie leckte also begierig.
Plötzlich trat die Mutter zur Thür herein. Friederike
erschrak so sehr, dass sie fast vom Tische gefallen wäre;
aber noch größer war der Schreck der Mutter, da sie sah,
dass Friederike Gift aß, welches für die Fliegen hingesetzt
war. Unglückskind! rief sie, was machst du?— Sie hob sie
gleich vom Tische, schickte zu dem Arzt, gab ihr Milch ein,
dass sie brechen sollte, und wandte alle Mittel an, sie von
einem schmählichen Tode zu retten. Bald aber fühlte Frie-
derike die entsetzlichsten Schmerzen in den Eingeweiden, und
schrie, dass man es einige Häuser weit hören konnte.
Der Arzt kam, verordnete, dass sie immer noch mehr
Milch trinken sollte, gab ihr auch noch andere Arzeneien;
allein sie musste doch schon zu viel genascht haben; zwar
blieb sie am Leben, behielt aber doch einen sehr schwachen
Verstand und ein beständiges Zittern der Glieder.
Wer strafbaren Begierden blindlings folgt, den stür-
zen sie endlich ins Verderben. Röm. 6. 23.